Leichendieb
zur Polizeiwache, um Sulamita zu treffen.
Sie hatte eine Erdbeertorte gekauft und war ihre alten Freunde besuchen gegangen.
Wir haben uns verlobt, erklärte sie, als ich hereinkam.
Wir nahmen die Glückwünsche entgegen. Das gesamte Team war da, aber uns fiel nichts Besonderes auf.
Später lud Sulamita Joel ein, mit uns zu Abend zu essen. Dudu, Caleiros Speichellecker mit dem Gesicht eines alten Weimaraners, kam ebenfalls mit.
In der Runde wurden lauter alte Geschichten aufgewärmt, die ich schon gehört hatte, die sie jedoch liebend gerne aufs Neue erzählten, wie die von dem Tag, an dem Sulamita einen jungen Mann geohrfeigt hatte, als er gerade dabei war, eine Aussage zu machen, ein Vergewaltiger, der sich an uns aufgeilte, sagte sie. Dieser Widerling redete und lachte, fuhr Sulamita fort, als ob es lustig wäre, kleine Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen zu vergewaltigen. Genau in dem Moment, wo er gestehen wollte, fügte Joel hinzu, kommt diese Irre hinter ihrem Computer hervor und haut ihm eine runter. Der Kommissar hätte Sulamita umbringen können, sagte Joel und lachte aus vollem Halse.
Auf dem Heimweg berichtete Sulamita mir, dass die Berabas ihren Part der Abmachung erfüllten. Die Polizei weiß von nichts, sagte sie. Du hast es ja gesehen.
Freie Bahn, Over.
32
Sieben Uhr morgens.
In der Bäckerei bestellten wir Kaffee und Brötchen mit Butter.
Die Chancen, bei einem Raub ungeschoren davonzukommen,betragen hundert Prozent, sagte Sulamita. Wenn man jemanden umbringt, liegt die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, lediglich bei fünfzehn Prozent. Das besagen die Statistiken einer Studie aus Rio de Janeiro, las sie weiter vor und zeigte mir die Zeitung.
Wenn es schon in Rio de Janeiro so aussieht, dann ist es im übrigen Brasilien noch sehr viel schlimmer, sagte ich. Corumbá ist eigentlich gar nicht mehr Brasilien, wir sind hier praktisch bereits in Bolivien. Sprich leise, sagte Sulamita. Das Problem ist, dass wir nicht bloß stehlen, fuhr sie fort. Aber wir sind auch keine Mörder, argumentierte ich, wir haben niemanden umgebracht. Nicht so laut, sagte sie. Der Knackpunkt ist, dass wir einer der reichsten Familien von Corumbá eine falsche Leiche andrehen.
Die Übergabe des Lösegelds war der heikelste Teil. Sulamita hatte bei der Festlegung der Details stets die Möglichkeit bedacht, dass die Polizei eingeschaltet werden könnte. Vielleicht weil ich die ganze Zeit mit Dona Lu zusammen verbrachte, war ich mir sicher, dass die Berabas die Behörden nicht um Hilfe bitten würden. Sie wollten den Toten, wollten ihn beerdigen, eine Messe lesen und anschließend regelmäßig das Grab besuchen.
Wer das nicht durchgemacht hat, versteht das nicht, erklärte ich Sulamita mehr als hundert Mal. Du machst dir nicht die geringste Vorstellung davon, was ein Tod ohne Toten bedeutet. Doch, natürlich, sagte sie, es ist wie ein Verbrechen ohne Leiche: Es existiert nicht. Es ist noch mehr als das, sagte ich, es ist, als befände man sich im Fegefeuer. Es gibt Tage, an denen man akzeptiert, dass der Mensch gestorben ist. Dann weint und betet man. An anderen Tagen hört man ein Geräusch ander Tür und ist sich sicher, dass er zurückgekommen ist. Man rennt ins Wohnzimmer, aber da ist niemand. Und wenn mitten in der Nacht das Telefon klingelt, rennt man voller Hoffnung hin. Aber man hört nie auf zu leiden. Und zu glauben. Das Leben hat keine große Bedeutung, aber man kann auch nicht sterben, weil ja immer noch die Möglichkeit besteht, dass die Tür aufgeht oder das Telefon klingelt. Und man möchte da sein, wenn das passiert.
Nach siebzehn mit Drohungen gespickten Anrufen war der Augenblick für die Übergabe des Lösegeldes gekommen. In dieser Nacht taten wir kaum ein Auge zu.
Tags zuvor hatte ich José Beraba angerufen und verlangt, er solle bei der Autoverleihfirma Panorama den Wagen mit dem Kennzeichen 3422 mieten. Sulamita wollte nicht, dass José Beraba die auffälligen Luxuskarossen der Familie bei der Aktion benutzte, und so hatten wir vorsichtshalber die Kennzeichen der im Hof der Mietwagenfirma verfügbaren Wagen überprüft.
Ehe wir uns in der Bäckerei voneinander verabschiedeten, sagte Sulamita mir, dass sie am Ende des Tages den Wagen ihrer Tante für die Aktion mitbringen würde. Es ist besser, du nimmst ihn. Und ich fahre mit dem Taxi, erklärte sie.
Ich ging mit ihr zu Fuß bis zur Bushaltestelle.
Ich liebe dich, sagte sie.
In solchen Momenten fühlte ich mich stets verpflichtet zu
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