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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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verschwand. Ich traute mich nie zu fragen, bei welcher Gelegenheit wir uns, nämlich mein Vater als Beamter in seinem Amt, meine Mutter zu Hause und ich in der Schule, jemals derart beschmutzten, um diese komplizierte Prozedur zu rechtfertigen. »Nur gekochte Wäsche ist wirklich hygienisch sauber«, belehrte uns meine Mutter, die nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, auch unsere Schuhe zu waschen. Auf jeden Fall verrechnete man meiner Familie das Doppelte der pro Person anfallenden Wassergebühren.
    Im Hintertrakt unseres Hauses, neben der Wasch küche, logierte eine meist stark geschminkte, nicht mehr ganz junge Dame, bei der »Mauner«, nämlich Männer – alt und jung –, nächtens verkehrten. Den Mitbewohnern blieb das unmoralische Treiben selbstverständlich nicht verborgen. Sie ergötzten sich daran im Geheimen, sparten jedoch nicht mit verächtlichen Blicken und zynischen Anspielungen. Vermutlich aus Rache rief mich die von allen gemiedene Frau manchmal zu sich in ihr mit allerlei Kitsch gefülltes Heim. Ich saß dann unter Heiligenbildern zwischen bunten Kissen auf ihrem Schlafsofa, sie erzählte mir aus ihrem Leben, und ich erntete gleichsam die Früchte ihrer Unzucht, indem ich köstliche Pralinen aus den von nächtlichen Besuchern hinterlassenen billigen Bonbonnieren verzehrte.
    Für uns Kinder war das alte, verwinkelte, heruntergekommene Gebäude ein wahres Eldorado. So benutzten wir die aufgrund der Hanglage der Liegenschaft teilweise ebenerdige Wohnung des – wie es uns vorkam – uralten Ehepaars Smutny, das im hinteren Trakt, gleich neben Mizzis Eltern, Küche und Zimmer bewohnte, als praktische Abkürzung zum Kirchplatz. Ungeniert liefen wir die Treppenstiege im Hof hinauf und kletterten durch ein Fenster hinaus, wenn wir auf dem Weg zu verwegenen Bandenspielen beim Pfarrhof neben der Kirche waren.
    Herr Smutny trank exzessiv. Die ordinären Flüche, die er im Zustand der Volltrunkenheit ausstieß, berei cherten unseren geheimen Wortschatz ganz ungemein. Im Sommer barg die Sucht des Herrn Smutny keinerlei Gefahren. Im Winter jedoch kam er auf dem Heimweg von seinem Wirtshaus manchmal von der Straße ab und landete in einem Rinnsal, wo ihn von seiner Frau alarmierte männliche Mitbewohner der Schlossergasse 14 dann aufspürten. Ihr Mitleid bewahrte ihn in eisigen Nächten vor dem Erfrieren. Sie trugen ihn nach Hause, wo er seinen Rausch ausschlief.
    Der kleine Innenhof des Hauses mit einem verkrüppelten Fliederbaum und der »Bassena« als Wasserstelle war Allgemeingut. Dort lebte eine von allen geduldete, von mir jedoch geliebte und gefütterte Katzenfamilie. Dort hielten manche in kleinen Ställchen Kaninchen, so wie ich meinen »Hansi«, dort legte Frau Zottl, eine im »Ausnahmstüberl« einquartierte über 90-jährige, stets keifende alte Frau, ein kleines Gärtchen an, das sie gegen uns ballspielende Kinder vehement verteidigte, genauso wie den räudigen Fliederbusch neben dem Plumpsklo.
    In der von sämtlichen Bewohnern – mit Ausnahme der Schwestern Fröhlich und der Familie des »Wassermanns« – benutzten und sommers wie winters nur über den Hof zu erreichenden Toilette hörten Mizzi und ich, auf einem Holzbrett sitzend, tief unten oft die Ratten kratzen. Das verschwiegene Örtchen bildete einen Zankapfel. War es, wie es manchmal geschah, verstopft, verbreitete sich bald ein penetranter Gestank. Zuallererst appellierte man an die Hausbesitzerin, eine liebenswerte alte Dame, die, wie sie deutlich zu verstehen gab, mit den Bewohnern ihrer Liegenschaft und auch mit ihrem Besitz selbst nichts zu tun haben wollte. Das lag, wie uns die Erwachsenen erklärten, an den in der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg eingefrorenen und seitdem nicht mehr erhöhten Mieten. Man zahlte den sogenannten »Friedenszins«.
    Nachdem es keine finanziellen Rücklagen gab, Appelle an die Hausbesitzerin ungehört verhallten und die Suche nach den Übeltätern stets im Sand verlief, traten die von den Frauen verköstigten, gelobten und angefeuerten Männer der Wohngemeinschaft mit Hacken und Spaten in Aktion. Unter derben Flüchen gruben sie den Hof bis auf die Gasse hinaus auf, legten den Kanal frei und säuberten ihn. Wir Kinder liebten die große Aufregung und erschauderten vor den Ratten, die manchmal unverhofft ans Tageslicht kamen.
    Nur ein Wehrmutstropfen trübte mein junges Leben, und zwar in Gestalt eines großen, dicken, hartgesottenen Buben mit bösartigem Gesicht. Der Hahn

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