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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Lieblingsober des Verstorbenen nimmt an seinem Begräbnis teil.
    Als Mizzi und ich am darauffolgenden Wochenende in einer der rot gepolsterten Logen des Kaffeehauses, das mir damals schon fast zur zweiten Heimat geworden war, Platz nahmen, und jede von uns, als hätten wir es verabredet, eine »Melange« bestellt hatte, begann ein Erzählen, das kein Ende nehmen wollte. Ich freute mich aufrichtig Maria, alias Mizzi, wiederzusehen.
    Nach zweistündigem Plaudern und oftmaligem, von lautem Gelächter unterbrochenen »Erinnerst du di no, wie wir …?«, tauschten wir Adressen und Telefonnummern aus. Wie viele Jahre hatten wir doch nur einen Steinwurf entfernt voneinander gelebt! Wir beschlossen, uns häufig zu sehen und uns vor allem nicht mehr aus den Augen zu verlieren – ein feierliches Versprechen, das wir zur beiderseitigen Freude lange eingehalten haben. Mizzi sollte tatsächlich bald zu meinem Lebensmenschen, wie man so schön zu sagen pflegt, werden, vor dem ich – fast – keine Geheimnisse hatte.
    Am Ende dieses aufregenden Tages legte ich mich erschöpft nieder. Der Schlaf wollte sich bei mir nicht so recht einstellen.
    Nachdem ein mildes Beruhigungsmittel, das ich in Form von Tropfen zu mir nahm, keine Wirkung zeigte, stand ich schließlich auf, heiser von mehrmaligem, jedoch vergeblichem Räuspern zur Unterbrechung der Grunzlaute an meiner Seite, verließ das eheliche Gemach und begab mich ins Wohnzimmer, wo mich wohltuende Stille umfing.
    Auf dem kleinen, geschwungenen Couchtisch bei der großen Sitzgarnitur lag noch immer das von Poldis Großonkel empfohlene Buch über sensationelle Kriminalfälle aus der Zeit nach 1900. Da mir die nötige Müdigkeit zur Schlafreife fehlte, nahm ich es zur Hand und vertiefte mich darin.
    Im Dezember 1913 hatte sich in Blackpool ein Unfall ereignet, der den Bürgern des beschaulichen englischen Badeortes willkommenen Gesprächsstoff bot. War doch die Urlauberin Mrs Alice Smith nach einem Anfall im Bad ertrunken. Die Vorgeschichte der Toten entpuppte sich als wahre Romanze. Die junge Krankenschwester und ein nicht mehr ganz junger Handlungsreisender hatten, stürmisch ineinander verliebt, gegen den Widerstand der Eltern des Mädchens nach ganz kurzer Bekanntschaft geheiratet. Ihre Hochzeitsreise führte Mr und Mrs Smith in die Küstenstadt Blackpool an der Irischen See, wo man sich in einer kleinen und preiswerten Pension einmietete. Rührend um das Wohlergehen seiner Gattin besorgt, unterzog der Ehemann die Unterkunft einer peniblen Prüfung und inspizierte auch das Bad. Wieso er die Wanne genau abmaß, blieb der jungen Gattin vorläufig verborgen. Sie nahm diese harmlose Marotte jedoch mit einem toleranten Lächeln zur Kenntnis.
    Kurz darauf klagte Alice über heftige Kopfschmerzen und suchte den Arzt Dr. Billing auf, der ein Medikament verschrieb. Auf Geheiß ihres Mannes nahm sie anschließend ein heißes Vollbad. Als Mr Smith, wie er angab, irgendwann beunruhigt nach ihr rief, erhielt er keine Antwort. Er betrat daraufhin den Raum und fand seine Frau tot im Wasser liegend. Der rasch herbeigerufene Dr. Billing stellte nach kurzer Untersu chung fest, dass das heiße Bad zweifelsohne eine Herz attacke oder einen Ohnmachtsanfall ausgelöst hatte. In ihrer Hilflosigkeit sei die Frau dann ertrunken. Fremdverschulden schloss der Mediziner kategorisch aus, da die Leiche auch nicht die geringste Spur von Gewaltanwendung zeigte. Sein Trost galt dem völlig gebrochenen Witwer.
    Sicher, ein trauriger Unfall. Und schon lange her. Was hat der »Sir« daran nur so Bemerkenswertes gefunden?, wunderte ich mich. Mangels anderer Lektüre las ich jedoch weiter.
    Im Dezember 1914, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Vorfall in Blackpool, berichtete das Wochenblatt »The News of the World« über einen tragischen Fall, der demjenigen von Blackpool aufs Haar glich. Der Bericht des völlig gebrochenen Ehemanns lag vor: Nach ihrer schönen Trauung in Südengland hatte er mit seiner Frau Margaret zwei Zimmer in einer Pension im Londoner Bezirk Islington gemietet. Die Frau klagte über Kopfschmerzen, der Arzt Dr. Bates verschrieb Medikamente, der Ehemann riet zu einem heißen Bad. Schließlich hielt Mr Lloyd im Badezimmer Nachschau und fand, wie er zu Protokoll gab, die innig geliebte Ehefrau leblos in der zu drei Viertel mit Wasser gefüllten Wanne. Für Dr. Bates, den man sofort rief, gab es keinen Zweifel an den Umständen des tragischen Unglücks. Seine Diagnose lautete: »Tod

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