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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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»Außerdem: der Soldat Engel hatte am vorigen Wochenende verlängerten Ausgang, und zwar bis Mittwoch zum Wecken.«
    Das Handy dudelt.
    »Ja, Kirchenberg.«
    »Hier Ulla. Das ging fix, was. Jastrzembowski ist negativ, Trimm hat ein Merkblatt wegen einer Verkehrssache, aber Engelchen sieht gut aus. Der hat schon eine ordentliche Akte. Mehrere Brüche, eine ganz eigenartige KV zum Nachteil einer Pennerin und dann noch eine Tierquälerei, bei der er eine Eselstute verletzt hat. Genaues kann ich dir allerdings noch nicht sagen, das war jetzt alles telefonisch. Die Faxe krieg ich gleich noch. Ich nehme noch Wetten an. Der Bursche ist übrigens ständig in Watte gepackt worden. Eine kleine Jugendstrafe, drei erzieherische Maßnahmen und wahrscheinlich mehrere intensive Gespräche mit Sozialarbeitern. Das war’s.«
    Glowatzki stößt an die Schulter, fragender Blick, Handflächen nach oben. Gleich.
    »Sieht gut aus, Ulla, find ich auch. Überprüf seinen aktuellen Wohnsitz und benachrichtige das zuständige MEK. Karlsruhe, ist das Rheinland-Pfalz? Jedenfalls sollen die nur beobachten und eventuelle Bewegungen feststellen. Wenn Karlsruhe erster Wohnsitz ist, sind die ja in jedem Fall vor uns da. Wir sind in zwanzig Minuten bei dir. Alles Weitere übers Handy.«
    Ungeduldige Fragezeichen in Glowatzkis Augen.
    »Erkenntnisse wegen KV, ED und Tierquälerei.«
    Wissender Nicker. Schneider versteht nicht. Draußen wird noch gebrüllt.
    15 Uhr 20
    Auf der Kuppe links und rechts Steinhänge. Sieht aus wie Schiefer. Langsam geht die Straße bergab, der weite Horizont schiebt sich von unten ins Bild. Weiter Blick, weit rechts hinten ein Kraftwerk. Oder so etwas. Kerzengerade Rauchsäule. Die Sonne von vorn, Bügeleisen auf dem Bauch, die Oberschenkel brennen. War wohl nicht die beste Idee mit dem schwarzen T-Shirt heute Morgen. Das Handy dudelt.
    »Kirchenberg.«
    »Ja, Ulla. Wo seid ihr?«
    »Ich schätze, in fünfundzwanzig Minuten sind wir da.«
    »Gut! Die Obs steht. Das dortige MEK ist vor Ort, Einsatzleiter ist der 4470. Die eingesetzten Fahrzeuge 4472 bis 77. Die Handynummer vom Einsatzleiter habe ich auch …« Längere Pause.
    »Sonst noch was?«
    »Ja, ich suche hier den Notizzettel, find ihn aber nicht. Ich melde mich wieder.«
    Ayse in der Vorlesung, der dicke Zopf liegt über der Schulter, das Licht spielt auf dem Flechtmuster, am hinteren Haaransatz einige widerspenstige Haare, kaut auf dem Bleistift, malt Sterne auf die Bank, macht Notizen.
    Heike fächert sich mit dem Notizbrett Luft zu, die Füße vor dem Handschuhfach.
    »Ganz schön heiß für September.«
    Glowatzki im Omega überholt langsam, Anne auf dem Beifahrersitz schläft mit Sonnenbrille. Wo ist Schmidt eigentlich abgeblieben? Im Rückspiegel ein dunkler BMW. Das Handy.
    »Ja, Kirchenberg.«
    »So, ich habe jetzt die Nummer gefunden. Schreibbereit?«
    »Nein, warte, ich geb dich mal weiter.« Heike richtet sich auf, nimmt das Handy. Sie klemmt es zwischen Kopf und Schulter, notiert etwas. Zustimmendes Räuspern.
    »Ja, alles klar. Tschüss.« Sie drückt das Gespräch weg, das Handy rutscht von der Konsole neben den Sitz.
    »Wir sollen uns anmelden, sobald wir die Stadtgrenze erreicht haben, der 4470 spricht uns dann an. Ulla kriegt die Akte von Engel gleich zugefaxt, wenn sich daraus noch was ergibt, meldet sie sich.« Sie kippt den Kopf weg, sieht aus dem Fenster. »Ob man aus der Akte wohl erkennen kann, warum er so was tut? Warum tun Menschen so was?«
    »Menschliches Tun ist nichts anderes als die Folge einer großen Menge elektrischer Impulse zwischen Neuronen. Davon haben wir hundertfünfzig Milliarden. Keine Sau weiß genau, was da vor sich geht. Bemüh dich also nicht.«
    Sie wendet den Kopf, aufmerksamer Blick.
    »Ist dieser obercoole Wissenschaftssenf ein Schutz, den man sich zulegt, oder glaubst du wirklich daran?«
    »Das ist kein Glauben, das ist Wissen.«
    »Prima. Und was fühlst du?«
    Nick Nolte mit vorgehaltener Pistole, Eddy Murphy mit der Pistole vom Gangster an der Schläfe, Nolte schießt, trifft, der Gangster lässt Murphy los, ist getroffen, glotzt ungläubig, kriegt noch einen und noch einen, zuckt, bricht zusammen, noch einen.
    »Wenn ich manchmal so vor den Opfern stehe und mir vorstelle, ich hätte was mit denen zu tun, ist das einer der wenigen Momente, in denen ich so was wie Hass spüre. Je länger ich dann mit den Tätern zu tun habe, desto mehr verschwinden diese negativen Gefühle. Ich bin dann nur noch ratlos. Das mit

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