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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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zweiten gab’s umsonst dazu.
    Die halbe Stunde Wartezeit nutzte ich, um in einem nahegelegenen Café rasch einen überteuerten Espresso zu kippen, dann holte ich die Fotos ab, übergab Fischl den einen Satz und verstaute den anderen in meinem Mantel. Zum Glück waren weder Huber noch Glitzermann in der Redaktion, um mich mit dämlichen Fragen zu nerven. Das würde ganz sicher morgen kommen.
    Ich ging zum Stephansplatz und stieg in die U3. Mir gegenüber saßen zwei alte Frauen, die sich mit einer derartigen Inbrunst über ihre Medikamente unterhielten, dass man hätte meinen können, diese seien das einzig Interessante, das ihnen im Leben noch geblieben war. Was wahrscheinlich stimmte.
    Bei der Johnstraße stieg ich aus, kaufte mir auf dem Markt Kartoffeln und Eier, überquerte die Hütteldorfer und stapfte zu meiner Wohnung hinauf.
    Ich machte mir Bratkartoffeln mit Spiegeleiern und trank dazu eine Dose Bier. Nach dem Essen ließ ich mich aufs Bett fallen, legte eine Platte von
Portishead
auf und schloss die Augen.
    Ich war vollkommen erledigt. Und ich war traurig, weil Stefan tot war, und wütend auf den Wichser, der ihn umgebracht hatte. Ich döste vor mich hin und ließ meine Gedanken schweifen. Stefans Bemerkung aus dem
Nachtasyl
fiel mir ein, dass er ein Verhältnis mit einem einflussreichen und bekannten Mann habe, der sich von ihm trennen wolle. Spielte diese Affäre eine Rolle bei Stefans Ermordung, oder verwandelte ich mich nur langsam in einen richtigen Boulevardjournalisten, der überall spektakuläre Zusammenhänge witterte, wo doch bloß prosaische Zufälle am Werk waren?
    Ich schlief ein, bevor ich diese Frage beantworten konnte.

Sechs
    Ich hatte gerade geduscht und stand, nur mit einem Handtuch um die Hüften, tropfend am Küchentisch und trank meinen Morgenkaffee, als eine Schabe aus ihrem Versteck krabbelte und zu einem Erkundungsgang durch meine Wohnung ansetzte. Ich stellte die Tasse ab, übergoss das Mistviech mit Feuerzeugbenzin und zündete es an. Die Schabe vollführte einen heißen Tanz und schmolz dann schneller dahin als das Lächeln einer Nutte, die gerade festgestellt hatte, dass ihr vermeintlicher Freier ein Zivilbulle war.
    Nach dieser guten Tat für den Tag föhnte ich mir die Haare, schlüpfte in Boxershorts und gönnte mir eine Zigarette. Während ich mich fertig anzog, suchte ich meine Fotoausrüstung zusammen und legte eine Platte auf.
A Tribe Called Quest
rappten
Everything Is Fair
, als es an der Wohnungstür klingelte.
    Ich fragte mich, wer das wohl sein mochte. Bei mir klingelte niemals irgendjemand, zumindest nicht freiwillig. Schien eine Überraschung zu sein. Ich hasse Überraschungen, außer sie sind grünäugig, rothaarig und stehen an einem verregneten Freitagabend vor meiner Tür. Heute war Dienstag, aber wer weiß, vielleicht konnte diese Überraschung keinen Kalender lesen.
    Ich öffnete die Tür, sah ein blasses, schlechtrasiertes Gesicht, dessen oberer Abschluss eine Stirnglatze bildete, dann eine bläulich violette Flamme, spürte einen höllischen Schmerz an meinem Hals und …
     ♦ ♦ ♦
    Als ich wieder zu mir kam, hatte die Musik aufgehört und ich lag, nur mit Boxershorts bekleidet, auf dem Boden und konnte mich kaum bewegen. Ich hob mühsam meinen Kopf und sah, dass meine Handgelenke mit Klebeband umwickelt und mit einem Strick an den Ofen gefesselt waren. Ich schaute zu meinen Füßen hinunter; auch hier dasselbe Bild: Klebeband und ein Strick. Der Strick durchquerte das Zimmer und endete am Fenstergriff. Was ging hier vor sich? War ich der grausamen Rache des mächtigen Schabengottes zum Opfer gefallen?
    Ich versuchte zu schreien und bemerkte, dass ich eine Socke zwischen den Zähnen hatte. Es war eine von meinen, das erkannte ich am Geruch. Und dieser Geruch war nur unwesentlich angenehmer als das Gefesseltsein.
    Ich hörte, wie jemand in der Wohnung wütete. Kästen und Schubladen wurden aufgerissen, Geschirr ging zu Bruch, Bücher prallten gegen die Wand.
    Dann verstummte der Lärm, und plötzlich stand der Mann vor mir, dem ich vorhin die Tür geöffnet hatte, und starrte auf mich herab. Er trug abgestoßene Schuhe und einen Anzug, den selbst ein Penner mit einem Rest Würde verschmäht hätte. In seinen Augen glomm der Irrsinn.
    „Wo ist der Film, du Drecksack?“, quiekte der Irre und stampfte mit seinem kleinen Fuß auf den Boden.
    Ich versuchte, um meine aromatische Socke herum „Drück dich präziser aus, Arschloch“ zu sagen, aber mehr

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