Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
Vom Netzwerk:
fielen baumelnd herunter. »Wo ist mein Van?«
    Ich zögerte kurz. Er entspannte sich, der Anfall war vorbei. »Da drüben.«
    »Ah. Ah ja.« Die Wut, die Raserei waren verschwunden. Geblieben war nur eine weiche, zögerliche Stimme. »Ich brauche eine Mitfahrgelegenheit.«
    Die Vorstellung, das Führerhäuschen meines Trucks mit diesem Fremden zu teilen, war nicht sehr angenehm. »Lassen Sie mich einen Abschleppwagen rufen. Ich warte hier bei Ihnen.«
    Der Mann zitterte. »Die brauchen doch ewig, bis sie hier sind.«
    »Tut mir leid, aber Sie haben mich gerade bedroht. Ich kann Sie wirklich nicht mitnehmen.«
    »Ich muss weiter«, flüsterte er und ballte die Hände zu Fäusten.
    »Das geht nicht. Tut mir leid.« Ich streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
    Er stürzte an mir vorbei und sprang auf den Fahrersitz.
    »Was zum Teufel machen …«
    Er drückte das Gaspedal durch, die Tür knallte, der Motor heulte auf.
    »Oh Scheiße.« Ich sah zu, wie die Rücklichter meines Wagens hinter dem Hügel verschwanden.
    * * *
    Die Minuten vergingen. Ich war noch immer wütend auf mich, weil ich die Schlüssel und das Handy im Auto gelassen hatte. Da hörte ich das Brummen eines Wagens, der über den Highway raste.
    Ich sprang von der Straße und sah schockiert zu, wie die Scheinwerfer meines Trucks über den Hügel kamen, der Wagen eine saubere Kehrtwende vollzog und neben dem verunglückten Van zum Stehen kam.
    »Wie ich schon sagte, Miss, ich bra…bra…brauch die Mitfahrgelegenheit wirklich.« Der Fremde sprang von meinem Truck herunter.
    Ich nahm die Schlüssel aus seinen langen, knochigen Fingern entgegen. Ich war vermutlich selber durchgeknallt, aber … »Sie haben mich überzeugt. Dann mal los.«
    Statt sich wieder in den Wagen zu setzen, lief er zu seinem Van und krabbelte auf den Vordersitz. Schließlich taumelte er rückwärts, in seinen Armen lag ein enorm großer Hund. Der Hund war fast so lang wie der Mann. Auch die gebleckten Zähne waren lang, genauso wie das bandagierte Bein. Ich musste an Penny denken, die zu Hause friedlich vor sich hin döste.
    Mein Herz zog sich zusammen. »Was ist passiert?«
    Der Typ hörte mich nicht oder wollte nicht antworten. Was auch immer. Ich machte die Beifahrertür auf, noch immer vorsichtig, aber auch schrecklich besorgt um den Hund. Der Fremde schob sich mitsamt seinem Hund auf den Sitz. Blut sickerte durch den aufgeweichten Verband. Der Mann schluchzte auf und vergrub das Gesicht in dem feuchten, drahtigen Fell des Hundes.
    Ich raste Richtung Winsworth.
    Der unangenehm metallische Geruch nach Blut und Angst erinnerte mich an den Kummerladen. Schon seltsam, wie sehr dieser Ort und meine Freunde mir fehlten.
    Der Hund ließ ein klägliches Jaulen hören. »Hätten Sie mir doch nur gesagt, dass Ihr Hund verletzt ist.«
    »Unn wenn«, nuschelte er. »Hä…Hätten Sie uns dann mitgenommen? Na?«
    »Vermutlich. Ja. Zumindest hätte ich nicht solche Angst gehabt.«
    Er grinste, ein perfekter Halbmond. »Aber meine Mitfahrgelegenheit hab ich bekommen, oder?«
    »In der Tat. Wie heißen Sie?«
    »Roy Orbison.« Er spuckte das wie eine Provokation aus.
    Ich verdrehte die Augen. Der Kerl war anscheinend betrunken, und dennoch … »Ich heiße Tally Whyte. Wollen Sie mir nicht sagen, was passiert ist?«
    Er streichelte dem Hund über die Schnauze. »Ein Fangeisen.«
    »Oh Gott. Und wer hat das aufgestellt?«
    Der Mann ignorierte mich, und ich lauschte dem leisen Wimmern des Hundes, während wir weiterrasten.
    Aus dem Verband sickerte immer noch Blut, und obwohl ich die Heizung voll aufgedreht hatte, zitterte er die ganze Zeit. Der Fremde durchbohrte mich mit Blicken aus seinen verängstigten, unheimlichen Augen. »Schneller«, flüsterte er.
    Ich erhöhte die Geschwindigkeit auf siebzig Meilen. Es war nicht schwer, mir vorzustellen, Penny läge auf meinem Schoß und würde langsam verbluten. Ich kraulte den Hund hinter den Ohren. »Tut mir ja so leid, dass er verletzt ist.«
    »Das ist eine Sie, Mann!« Er massierte sich den Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. »Tsch…Tschuldigung.«
    Jetzt tauchten mehr Lichter auf. Der Stadtrand von Winsworth, Gott sei Dank. Die Hündin war entweder eingeschlafen oder ohnmächtig geworden. Wir hatten es fast geschafft. Der Verband war blutdurchtränkt.
    »Wo ist mein Van?«, fragte der Fremde. »Wo?«
    »Äh, den haben Sie doch an der Bangor Road zurückgelassen. Wissen Sie noch?«
    »Oh.«
    Undeutliche Aussprache, Zittern,

Weitere Kostenlose Bücher