Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
einfach ausfallen, die betretenen Gesichter der Mitarbeiter und allen voran das von Wilma Rose lud nicht dazu ein, sich länger als nötig im Speisesaal aufzuhalten. Auch Max und Baroni zogen sich zurück. Sie waren ratlos und enttäuscht. Ratlos, weil sie sich nicht erklären konnten, wo Vadim verschwunden war, und enttäuscht, weil Tilda Max’ Verdacht nicht nachgegangen war. Niemand kümmerte sich um Wilma Rose, keiner stoppte sie. Alles war immer noch in Unordnung, nichts hatte sich zum Guten gewendet, im Gegenteil.
Vadim war verschwunden, sie hatten alles abgesucht, sie wussten nicht weiter. Nachdem sie über zwei Stunden auf der Terrasse von Max darüber diskutiert hatten, was als Nächstes zu tun war, beschlossen sie, schlafen zu gehen. Der nächste Tag würde Antworten bringen, sagte Baroni.
Hoffentlich, sagte Max und machte das Licht aus.
Dass Leftera danach über ihn kam wie ein Orkan, dass sie ihn mit einem Rennpferd verwechselte, damit hatte Max am allerwenigsten gerechnet. Dass sie nach der Obduktion in sein Zimmer einsteigen würde, dass sie die ganze Nacht bleiben würde, dass sie neben ihm liegen, dass er sie atmen hören würde. Obwohl er es nicht wollte, hat Max es wieder getan. Er hat sie berührt, wieder ist sie in ihn eingedrungen, er hat es zugelassen. Weil er alleine war, weil sie plötzlich einfach da war, weil sie sich einfach nahm, was sie wollte.
Leftera. Wie sich ihr Brustkorb hebt und senkt. Eine fremde Frau so nah. Ihre Hand liegt auf seinem Bauch, sie schläft.
Max liegt wach. Er konnte nicht einschlafen, so sehr er es auch wollte, aber die tausend Gedanken in seinem Kopf ließen es nicht zu. Leftera hatte sich vor Erschöpfung schwer atmend neben ihn gelegt und war innerhalb von wenigen Minuten eingeschlafen. Seit über einer Stunde dreht er sich hin und her, versucht mit Gewalt, das grelle Licht in seinem Kopf auszumachen, aber es geht nicht. Er kann nicht aufhören, an Vadim zu denken, er macht sich Sorgen, Vorwürfe. Er hat es ihm versprochen.
Wir passen auf dich auf, haben sie zu ihm gesagt.
Jetzt war er außerhalb ihrer Reichweite, sie konnten ihn nicht beschützen, nichts mehr für ihn tun. Vadim war hilflos, und sie waren schuld daran. Er und Baroni. Anstatt ihn im Auge zu behalten, haben sie die Leiche ausgegraben und ein Spektakel in die Wege geleitet. Und wofür? Für nichts. Wilma Rose schläft nach wie vor auf ihrer teuren Matratze und grinst. Die Polizei ist weg, der Innenminister passt auf, dass sie nicht wiederkommt, und Vadim sitzt irgendwo, eingesperrt, verängstigt, kurz davor, aufgeschnitten zu werden.
Drecksau, denkt Max und versucht, das Schnarchen neben sich zu ignorieren. Wilma Rose. Max weiß es. Sie war es. Sie hat Vadim versteckt, irgendwo im Haus, er muss sie finden. Lefteras Schnarchen wird lauter, Max schaut sie an, während er aufsteht. Dass sie auch noch zu schnarchen beginnt, macht ihm Angst. Dass sie sich einfach in sein Bett legt, sich ausbreitet, schläft und schnarcht. So als wäre sie neben ihm zuhause, als wären sie seit Jahren Vertraute. Max zieht sich an. Er will nicht noch eine Stunde wach liegen, er will etwas unternehmen, einen Dominostein umstoßen, damit die Dinge in Bewegung kommen, damit ein Wunder passiert, irgendetwas, das ihm weiterhilft. Max muss ihn suchen.
Der einzige Ort, an dem sie noch nicht waren, ist Wilma Roses Wohnung.
So dumm ist sie nicht, hat Baroni gesagt.
Max hat ihm Recht gegeben. Jetzt aber zweifelt er. Wo soll Vadim sonst sein, sie braucht ihn in der Nähe, sie muss ihn bewachen. Warum nicht? Warum soll sie ihn nicht einfach in ihrem Kleiderschrank versteckt haben? Vielleicht hat sie ihn betäubt und er schläft auf ihrer Couch, vielleicht hat sie ihn geknebelt, gefesselt, vielleicht ist er bereits hirntot, vielleicht ist er nur noch ein Atmen und sonst nichts. Vielleicht.
Lefteras Schnarchen wird lauter. Max zieht seinen Bademantel an und geht aus dem Zimmer. Schnell den Gang entlang, die Stiegen hinauf. Er weiß noch nicht, wie er es anstellen soll, aber er wird in ihre Wohnung eindringen, er wird ihre Türe aufbrechen, irgendwie wird es ihm gelingen. Zur Not wird er einfach läuten. Sie wird ihm aufmachen und er wird sie überrumpeln, er wird an ihr vorbeistürmen und durch die Wohnung rennen, er wird ihn finden. Vadim, lebend.
Barfuß steigt er die Treppe nach oben. Alles schläft, da ist kein Laut im Haus, so als läge der Schock über den Leichenfund auch in dem alten Gebälk, in den Böden und
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