Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung. Falls er noch lebt. Du solltest beten, dass es so ist.
– Wo kommt er her?
– Moldawien.
– Unmöglich.
– Dann war es das für dich.
– Wie soll ich das machen? Es gibt Gesetze in diesem Land.
– Es ist mir scheißegal, wie du es anstellst, aber wenn du dich nicht darum kümmerst, werde ich dich ans Kreuz nageln. Egal, was kommt, ich werde dafür sorgen, dass du untergehst.
– Gut.
– Was, gut?
– Ich mache es.
– Wie?
– Ich sagte, ich werde mich darum kümmern.
– Siehst du, funktioniert ja, ich wusste, auf unsere Politiker ist Verlass.
– Sie werden Ihren Mund halten?
– Zuerst Tilda, dann Vadim.
– Das darf alles nicht wahr sein.
– Ist es aber. Und jetzt setz wieder dein entsetztes Gesicht auf und spiel den Minister.
Vierundzwanzig
Tilda kam und wurde pensioniert.
Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden bevölkerte die Polizei den Rosenhof. Zwei Leichen innerhalb von so kurzer Zeit mobilisierten alles, was zur Verfügung stand. Erneut Blaulichter, Absperrungen und Dutzende Beine und Füße, die durch den Rosenhof trampelten. Das Paradies der Reichen und Schönen versank ein zweites Mal im Chaos.
Mitten in diesem Chaos stand Tilda und starrte den Minister an. Neben ihnen am Boden lag Wilma Rose, der Innenminister tat, was Max ihm gesagt hatte. Verständnislos und mit offenem Mund hörte Tilda ihnen zu, sie verstand zuerst nicht, was er ihr sagte, dass er sie an einem Tatort einfach pensionierte, dass er sie nachhause schickte, anstatt sie anzubrüllen, so schnell wie möglich wieder Ordnung am Rosenhof herzustellen.
Der Staat ist Ihnen zu großer Dankbarkeit verpflichtet, sagte er und drückte ihr die Hand.
Und die Tote, fragte Tilda.
Um die würde sich ihr Kollege kümmern, sagte der Minister, Tilda solle jetzt in den verdienten Ruhestand gehen. Es sei ja schließlich auch höchste Zeit, sagte er, sie habe lange genug auf diesen Augenblick gewartet. Vertraulich klopfte er ihr auf die Schulter, dann drehte er sich um und ließ sie allein.
Tilda Broll. Kriminalhauptkommissarin. Bei der Polizei seit vierzig Jahren, sie hatte alles gegeben, jetzt war nichts mehr da, keine Kraft mehr, gar keine. Benommen und wie in Zeitlupe setzte sie sich in Bewegung, wie paralysiert schlängelte sie sich zwischen ihren Kollegen durch. Sie reagierte auf nichts, wie ferngesteuert wandelte sie durch den Raum.
Es war so, als hätte sie einfach einen Motor abgestellt, als hätte sie ihr System heruntergefahren, es war so, als würde sie die letzten Schritte machen, langsam, als würde sie ins Ziel einlaufen, erschöpft, aber glücklich. Sie war nicht mehr verantwortlich. Sie musste sich nicht mehr um die Tote am Boden kümmern, Wilma Rose konnte ihr egal sein, Tilda war frei. Immer wieder hörte sie die Worte. Sie verstand es zwar nicht, warum es passiert war, aber sie nahm es hin. Ihre Mundwinkel gingen langsam nach oben, ihr Gesicht hellte sich auf, es wurde glücklicher, von einem Moment zum anderen. Ihre Züge, ihre Augen.
Wie Max sie beobachtete, während er ihren Kollegen erzählte, wie er Wilma Rose gefunden hatte. Wie schön es war zu sehen, was mit Tilda passierte. Wie schön es war zu sehen, wie seine Stiefmutter wieder zu leben begann. Egal, ob eine Tote im Raum war, egal, ob Chaos herrschte, egal, was das Blut auf der toten Kuh bedeutete, Tilda wandelte durch die Wohnung, ohne Sinn, ohne Aufgabe, nur mit diesem Lächeln auf den Lippen. Er hatte sie tatsächlich pensioniert, er hatte tatsächlich getan, was Max verlangt hatte. Ohne Zögern, ohne vorher mit jemandem telefoniert zu haben, der Minister hatte seine Macht ausgespielt, er hatte den ersten Schritt getan, um seinen Arsch zu retten. Der Innenminister machte seine Arbeit, er tat, was gut für das Land war, er bemühte sich, die Ordnung wiederherzustellen.
Als Max auf alle Fragen geantwortet hatte, kam der Minister zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Nehmen Sie Ihre Mutter und gehen Sie, sagte er.
Dann drehte er sich um und kümmerte sich wieder um Wilma Rose.
Max stand auf, ging zu ihr in den Vorraum und umarmte sie. Dann zog er sie aus der Wohnung und ging mit ihr nach unten an die Bar. Ohne zu fragen verschwand er hinter dem Tresen und durchwühlte die Schränke. Mit zwei Gläsern und einer Flasche Schnaps setzte er sich wieder zu Tilda an die Bar.
Seit drei Minuten sitzen sie nebeneinander, ohne Worte.
Die Sonne geht auf, es rumort im Haus. Die ersten
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