Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
Gäste verlassen das sinkende Schiff. Operierte Ratten mit Koffern, denkt Max. Sie wollen ihre fettentleerten Bäuche nicht in die Öffentlichkeit stellen, ihre gelifteten Gesichter, sie wollen ihre Ruhe zurück, sie wollen verschwinden, bevor die Medien den Rosenhof überrennen, bevor die nächste Leiche auftaucht. In Windeseile spricht es sich herum, die Blaulichter haben sie aufgescheucht, die Uniformen, das Gerücht, dass Wilma Rose tot in ihrem Blut liegt. Sie flüchten. Einer nach dem anderen. Max und Tilda schauen zu. Eine Zeitlang ohne etwas zu sagen, dann hebt Max sein Glas.
Auf deinen Ruhestand, sagt er.
Danke, sagt Tilda.
– Wofür?
– Egal, wie du das gemacht hast, ich danke dir.
– Warum glaubst du, dass ich etwas damit zu tun habe?
– Du warst allein im Raum mit dem Minister, als ich gekommen bin.
– Die Fickinger war auch da.
– Max, ich will absolut nichts mehr von dem Ganzen wissen. Nichts mehr von irgendwelchen Toten, nichts mehr von Wilma Rose und schon gar nicht davon, was genau da zwischen dir und dem Minister war. Ich bin dir einfach nur dankbar, Max.
– Du hast es verdient.
– Es ist sieben Uhr früh, das ganze Dezernat ist auf den Beinen, und ich sitze hier und trinke einen Schnaps. Jetzt ist alles gut, Max.
– Nicht alles.
– Das mit den Leichen wird niemals jemand erfahren, Max. Nicht von mir.
– Das meine ich nicht.
– Was dann? Es scheint ja sogar in deinem Liebesleben wieder Licht am Ende des Tunnels zu geben.
– Sagt wer?
– Leftera.
– Bitte was?
– Sie hat mir gestern Abend im Obduktionssaal gesagt, dass ihr zusammen seid.
– Blödsinn.
– Hat sich aber anders angehört.
– Das ist nichts.
– Sie sagt, ihr seid euch nähergekommen. Und sie sagt auch, dass du gut küsst.
– Von mir aus, da war kurz etwas, aber was übrigbleibt ist, dass ich das noch nicht kann.
– Ist sie nett?
– Sie ist etwas Besonderes.
– Das ist ganz bestimmt so. Sie ist Obduktionsassistentin. Sie ist die Einzige in ganz Österreich, sonst machen diesen Job nur Männer.
– Wir sind nicht zusammen, Tilda, du musst dir keine Gedanken über sie machen.
– Das ist deine Entscheidung, Max.
– Ich finde es seltsam, dass sie mit dir darüber redet.
– Ich finde etwas anderes seltsam.
– Was?
– Eigentlich wollte ich ja nichts mehr von der ganzen Sache wissen.
– Bitte, Tilda, was?
– Vielleicht bedeutet es auch gar nichts.
– Was, Tilda?
– Ich habe da etwas gesehen in der Wohnung von der Fickinger, was ich nicht verstanden habe.
– Was?
– Ein Foto.
– Was für ein Foto?
– Ein Foto von der Fickinger.
– Und? Was ist Besonderes daran?
– Leftera ist auch auf dem Foto.
– Bitte was?
– Leftera, ein Mann, den ich nicht kenne, und die Fickinger.
– Die Leftera aus der Gerichtsmedizin?
– Wie viele Lefteras kennst du, Max?
– Das kann nicht sein.
– Warum nicht?
– Dass die sich kennen, das kann nicht sein.
– Doch, Max, sie kennen sich. Gut sogar. Die Fickinger umarmt die beiden auf dem Foto. Sie wirken sehr vertraut.
– Scheißdreck.
– Was, Max?
– Alles Scheißdreck, alles.
– Was ist los, Max, wo willst du hin? Bleib hier.
Ohne auf Tilda zu hören, rennt Max los. Sie ruft ihm nach, aber er bleibt nicht stehen. Er muss dieses Foto sehen, jetzt, sofort. Mit großen Schritten rennt er die Stiegen hinauf. Er hat das Foto nicht bemerkt, als er in die Wohnung kam, es war dunkel, und als die Polizei alles auf den Kopf stellte, hat er auf nichts mehr geachtet. Er dachte, alles sei zu Ende. Es gab keine Spur mehr, nichts, das ihm und Baroni gesagt hätte, wo sie noch nach Vadim suchen hätten können, wo sie vielleicht doch noch einen Beweis für ihre Theorie finden hätten können.
Ein Teil des medizinischen Personals hat bereits am Vortag gepackt. Als sie die Operationssäle durchsuchten, waren sie dabei zu verschwinden. Mitwisser. Mitarbeiter von Wilma Rose, vielleicht sogar Mörder. Ärzte, Krankenschwestern, die gegen Wilma Rose hätten aussagen können. Doch nichts. Kein Wort kam aus den leeren Operationssälen, nichts. Max war überzeugt davon gewesen, dass es dabei bleiben würde. Drei unbekannte Leichen, Vadim verschwunden und Wilma Roses Selbstmord. Es blieb nur noch der Schnaps mit Tilda an der Bar. Und der Gedanke an Bier mit Baroni später im Würstelstand. Alle Würfel waren gefallen, Max glaubte daran. Bis Tilda von dem Foto erzählte. Bis vor zwei Minuten war er dabei gewesen, seine Gedanken wieder neu zu
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