Leichentanz
Haushalt, in dem das Chaos Trumpf ist, nichts wegkommt. Hier habe ich den Beweis.« Als wir bei ihm standen, schlug er den Prospekt auf. »Man hat ihn zur Ausstellung gedruckt, und hier sind auch die Namen der beiden Maler aufgeführt.«
»Es sind zwei?« fragte ich.
»Ja, das hatte ich vergessen, euch zu sagen. Die beiden arbeiten zusammen.«
Der Prospekt bestand aus drei Teilen. In der Mitte waren die Gesichter der Künstler abgebildet. Sie schwebten auf einer schwarzen Wolke, unter der sich ein Bild befand, das die beiden gemalt hatten. Es war ein alter, mit grauen Grabsteinen bestückter Friedhof, und auf zwei Grabsteinen waren die dort eingravierten Namen deutlich zu lesen.
Maren und Crimsdyke!
»Das ist er«, flüsterte Taylor. Sein Finger wies dabei auf das dicke Gesicht des Malers Crimsdyke. Der Kopf schwebte direkt über dem entsprechend beschrifteten Grabstein. »Vergleichen Sie es mit meiner Zeichnung. Die Übereinstimmung fällt sofort auf.«
Suko schaute hin, ich ebenfalls, und zugleich nickten wir. Es war sogar perfekt.
Von den Bildern, die der Prospekt zeigte, gefiel mir keines. Jedes der Bilder war für meinen Geschmack einfach zu düster und abweisend.
Unheimliche und menschenfeindliche Landschaften, die keine Romantik enthielten, sondern eher Angst machten.
»Wer hängt sich solche Dinger denn in den Wohnraum?« fragte Suko.
»Sammler gibt es immer«, erklärte Taylor.
»Das meine ich auch«, murmelte ich. »Maren und Crimsdyke also. Jetzt wissen wir Bescheid und müssen nur herausfinden, wo die beiden leben und arbeiten. Oder können Sie uns dabei weiterhelfen, Mister Taylor?«
»Leider nein. Ich weiß nur, daß sie in London leben. Mehr ist mir nicht bekannt.«
»Immerhin etwas.«
»Das finden wir leicht heraus«, sagte Suko. »Jedenfalls werden sie kaum auf einem Friedhof malen.«
Taylor zwinkerte überrascht. »Was meinen Sie, Inspektor?«
»Schon gut, vergessen Sie es. Dürfen wir den Prospekt behalten, Mister Taylor?«
»Meinetwegen.«
»Danke«, sagte Suko und steckte ihn ein.
Ich befand mich bereits auf dem Weg zur Tür. Ich kam mir vor, als hätte ich einen doppelten Adrenalinstoß gekriegt. Was wie ein kaum lösbares Rätsel begonnen hatte, fing allmählich an, Konturen anzunehmen. Die beiden Maler würden sich wundern, denn jetzt führten wir die Pinsel…
***
In diesem Fall wollten wir nichts ohne Rückendeckung unternehmen, deshalb saßen wir kurze Zeit später auch wieder mit Sir James Powell zusammen, der uns genau zuhörte, als wir ihm berichteten, was wir entdeckt hatten.
»Das ist die Lösung«, sagte er.
Ich schränkte ein. »Nur für die beiden Ghouls.«
»Denken Sie weiter, John?«
»Sicher. An Beauty Cosmetics, an die Knochen. Es liegt auf der Hand, daß diese Firma mit den beiden Ghouls zusammengearbeitet hat. Sie haben für den Nachschub an Knochen gesorgt, und auf dem Weg zu Ihnen, Sir, ist mir eingefallen, daß Kosmetik ja auch aus Menschenknochen hergestellt wird. Ich habe mal einen knappen Bericht gelesen, eigentlich nur für Insider zugänglich, aber die großen Kosmetik-Konzerne importieren doch Knochen aus Asien. In Indien werden noch immer Menschen verbrannt, da sind die Knochen günstig oder liegen wie auf dem Präsentierteller. Stellen Sie sich mal vor, so etwas gerät an die Öffentlichkeit. Was würden all die Frauen und Männer sagen, wenn sie wüßten, daß dieses Zeug, das sie in ihre Gesichter schmieren, von Toten stammt. Da ginge ein Aufschrei durch Europa. Ich kann mir denken, daß die Industrie kein Interesse daran hat, diese Tatsachen an die Öffentlichkeit zu bringen. Jeder Konzern sucht doch nach Möglichkeiten, so günstig wie nie an gewisse Rohstoffe heranzukommen. Ich bleibe mal bei Beauty Cosmetics. Wenn sie die Knochen hier erwerben, fällt ein langer Transportweg weg. Das ist kostengünstiger. Ghouls besorgen die Knochen, weil sie damit nichts anfangen können, und der Konzern gibt ihnen Gelegenheit, die Werke auszustellen. So wäscht eine Hand die andere, und B.C. steht noch als großer Sponsor da, der sich um noch nicht anerkannte Künstler kümmert.«
Sir James hatte mir zugehört und gab mir durch mehrmaliges Nicken recht. »Sie haben es genau erfaßt.«
»Zudem erscheint der Anruf jetzt in einem ganz anderen Licht. Da hat jemand an der Schraube gedreht, Sir. Wir sollten alles, nur eben nicht auf die Spur der anderen kommen.«
»Richtig.« Er nickte. »Aber das Faß ist voll. Sie werden weitermachen und brauchen von
Weitere Kostenlose Bücher