Leichentanz
nun an keine Rücksicht mehr zu nehmen. Ich denke, daß sie sich die Anschriften der beiden Maler heraussuchen werden. Brauchen Sie dann Verstärkung, oder werden Sie allein klarkommen?«
»Das machen wir beide.«
»Da steht noch eine Rechnung offen«, erklärte Suko. »Bitte – wenn, dann sofort.«
Das hätte uns Sir James nicht erst zu sagen brauchen. Für uns ging es mit Feuereifer an die Arbeit.
Diese verfluchten Leichenfresser würden sich wundern…
***
Sie wunderten sich auch, aber nur, weil sie unverhofft Besuch gekriegt hatten.
Frederick Döring saß Crimsdyke und Maren gegenüber. Sie hockten in dem Atelier, und der Industrielle fühlte sich alles andere als wohl. Die beiden Maler vor ihm wirkten wie zwei Figuren, die jemand künstlich erschaffen und in dunkle Kleidung gesteckt hatte. Sie hatten zwar menschliche Körper, diese wiederum arbeiteten von innen. Sie waren dabei, sich zu verändern, ohne daß die Ghouls ihre Gestalt verloren, doch die entsprechenden Geräusche – das Schmatzen und Klatschen – wurde von Döring nicht überhört. Hin und wieder sah er in den Gesichtern und an den Händen gläserne Flecken. Da war die Haut dann durchsichtig geworden, und er entdeckte darunter dünne, grünliche Adern, die ebenfalls zuckten wie kleine Fischleiber.
Er hatte ihnen alles erzählt und wartete auf eine Reaktion von ihrer Seite.
Maren sah so aus, als wollte er sprechen. Er rieb seine dicken Hände gegeneinander und produzierte wieder dieses häßliche Schmatzen. Den Kopf hielt er gesenkt, und als er Döring anschaute, da hob er nur den Blick. Die Pupillen waren schwarz, sie paßten sich den strichdicken Augenbrauen sehr gut an.
»Es besteht also keine Gefahr mehr?«
»Von meiner Seite nicht.«
Maren wollte es nicht glauben. Er schüttelte seinen länglichen Schädel, wobei das schwarze Haar tief in seine Stirn hineinfiel. »Wir fühlen uns aber unwohl.«
Döring wollte es nicht glauben. Er verlangte nach einer Erklärung.
Schließlich gehörte er zu den Menschen, die allem sofort auf den Grund gehen wollten.
»Man jagt uns!«
»Wirklich?«
»Ja. Wir lügen nicht. Es ist oder es sind gefährliche Männer, die sich auf unsere Fersen gesetzt haben. Diese Männer sind sogar in der Lage, uns zu töten. Uns, die Ghouls.« Maren klopfte mit der Faust gegen seine Brust und hinterließ dabei dumpfe, klatschende Geräusche.
Frederick Döring mußte schlucken. Es ging ihm auf einmal nicht mehr gut. Dabei hatte er sich den Plan so gut und auch perfekt ausgedacht.
Nur wollte er sich nicht die Schuld geben, denn da gab es einen anderen, der nicht richtig gespurt hatte.
Cedric, dachte er. Cedric, du Hundesohn, du hast mich im Regen stehen lassen. Die Polizeiaktionen sind nicht abgeblasen worden. Man führt sie nur im Geheimen fort.
»Es überrascht dich?« fragte Crimsdyke.
»Sehr sogar.«
»Warum?«
»Ich hatte dafür gesorgt, daß Ruhe eintritt, verdammt noch mal.«
»Wahrscheinlich nicht genug.«
»Okay, die Knochen sind gefunden worden, das habe ich euch gesagt. Aber sie wurden nicht beschlagnahmt, sondern uns zugeführt. Es sind viele, dafür bin ich euch dankbar, aber es sind nicht genug, denn wir haben beschlossen, unsere Produktpalette zu erweitern. Deshalb brauchen wir Nachschub.«
»Der alte Friedhof ist leer«, erklärte Maren mit dumpfer Stimme. »Es gibt dort keine Leiche mehr. Sie haben uns gedient, und wir haben euch alle Gebeine gebracht.«
Döring legte die Hände flach zusammen. »Das weiß ich ja, dafür bin ich euch auch dankbar, aber versteht auch meine Lage. Ich brauche in diesem Jahr noch Nachschub. Ich habe auch mit meinem indischen Exporteur gesprochen, es gibt da einige Lieferschwierigkeiten, er muß erst neue Pfründe auftun, deshalb bin ich auf euch angewiesen, und ihr seid dabei nicht schlecht gefahren, denn Beauty Cosmetics hat schließlich dieses Haus erworben und es euch überlassen.«
»Das wissen wir alles«, sagte Maren.
»Schön. Wo liegt das Problem?«
»Man ist uns auf der Spur.«
»Aber ihr werdet doch mit Menschen fertig, denke ich.«
»Die Jäger sind keine normalen Menschen, sie sind Spezialisten. Sie sind darauf trainiert, Kreaturen wie uns zu jagen.« Der Ghoul regte sich innerlich auf, was sich bei ihm auch im Gesicht zeigte, denn die Stirn wirkte plötzlich, als wollte sie einfach davonfließen, aber sie richtete sich wieder.
Nur der Geruch nahm an Intensität zu, und Döring sah sich gezwungen, den Atem anzuhalten. »Es gibt noch andere
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