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Leichentanz

Leichentanz

Titel: Leichentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hier tabu. Oder liege ich da falsch?«
    »Nein, nein, rede weiter.«
    »Da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Über die Knochen kommen wir nur an die Hintermänner heran. Offiziell natürlich nicht, aber wir werden weiter am Ball bleiben und…«
    »Das ist er!«
    Wir hörten Mrs. Leginsas Ruf, der beinahe schon einem Schrei glich.
    »Ja, das ist er. Haargenau. Wunderbar, Mister Tayler, Sie haben das hervorragend hinbekommen. Mein Gott, ich bekomme einen Schauder, wenn ich mir die Zeichnung so betrachte.«
    Uns hatte der Ruf alarmiert, und wir eilten mit langen Schritten an den Ort des Geschehens. Mrs. Leginsa war aufgestanden, schaute in unsere Richtung, deutete aber mit dem ausgestreckten Zeigefinger zuckend auf das fertige Ergebnis. »Wunderbar… ich habe… es geschafft. Nein, Mister Taylor hat es geschafft.« Sie war völlig aus dem Häuschen, und wir schauten uns das Ergebnis an.
    Es war ein Matschgesicht!
    Der Ausdruck konnte als übertrieben angesehen werden, er war mir jedoch in den Sinn gekommen. Ein dickes, aufgedunsenes und widerlich anzusehendes Gesicht. Aufgeblähte Wangen, dabei sehr fleischig und auch von breiten, tiefen Falten durchzogen. Dünnes Haar, das erst auf der zweiten Schädelhälfte begann, stechende Augen, herabgezogene Mundwinkel bei dicken Lippen und ein Kinn, das auf mich wie ein Fleischklops wirkte. Er war ein Mensch, aber kein Ghoul, nur konnte ich mir vorstellen, daß er sich sehr schnell und gern in ein leichenfressendes Monstrum verwandelte.
    »Sie sind gut, Mrs. Leginsa.«
    »Das habe ich meinem Mann auch immer gesagt, doch er wollte mir nicht glauben.« Sie stand auf. Vom langen Sitzen waren die Gelenke ›eingerostet‹. Sie knackten als sie sich hinstellte. »Jetzt ist mein Job wohl erledigt – oder?«
    »Im Prinzip schon.«
    »Das ist gut.« Sie nahm die Brille ab und putzte die Gläser. Beim Aufsetzen sagte sie: »Nichts gegen Sie persönlich, meine Herren, und nehmen Sie mir es bitte auch nicht übel, aber ich sehne mich nach einem herrlichen Bad.«
    »Das sei Ihnen gegönnt. Sind Sie mit Ihrem Wagen zu uns gekommen?«
    »Nein.«
    »Dann werde ich Sie nach Hause fahren lassen.«
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Suko. Er begleitete die Frau zur Tür, die er ihr galant offen hielt. Mrs. Leginsa winkte mir noch einmal zu, dann waren sie und Suko verschwunden.
    »Zurück blieben Tayler und ich. Der Zeichner konnte seinen Blick nicht von dem ›Kunstwerk‹ lösen, was mir natürlich auffiel, und ich fragte ihn: Haben Sie etwas?«
    »Tja«, murmelte er, dabei durch seinen dünnen Bart streichend. »Im Prinzip nicht.«
    »Aber…?«
    »Etwas stört mich.«
    »Positiv oder negativ?«
    »Das kann ich Ihnen nicht beantworten, John.«
    »Reden Sie mal frei von der Leber weg.«
    Er nickte. »Ja, das werde ich tun. Wissen Sie was? Ich habe das Gefühl, den Mann zu kennen.«
    Für einen Moment schloß ich die Augen. »Wie bitte?«
    »Ja, ich bin mir ziemlich sicher.«
    Mein Gott, das war ein Ding. Zufall, Schicksal, wie auch immer. Plötzlich spürte ich eine große Euphorie in mir, bremste sie aber ab und redete mir ein, daß sich Taylor ebensogut täuschen konnte. Trotzdem fragte ich: »Wenn Sie den Mann eventuell kennen, dann könnten Sie unter Umständen sagen, wo sie ihm begegnet sind.«
    »Ja… vielleicht…«
    »Denken Sie bitte nach.«
    Taylor lächelte. »Sicher. Was meinen Sie, was ich die ganze Zeit über schon tue?« Er blieb nicht stehen, begann mit einer Wanderung, blieb aber stets in Nähe der Zeichnung, schaute sie an, blickte wieder weg, dachte nach und wischte ab und zu seine schweißfeuchten Hände am Stoff der Jeanshose ab.
    »Alles klar?«
    Er blieb stehen. »Ja. Ich weiß zumindest, daß ich ihn beruflich kenne.«
    »Ist er hier bei uns?«
    Taylor lachte über meine Frage. »Nein, John, so meine ich das nicht. Berußich können Sie gleichsetzen mit hobbymäßig. Ich betreibe die Malerei als Hobby.«
    »Das wußte ich nicht.«
    »Es entspannt mich. Ich habe keinen großen Erfolg mit meinen Bildern, aber zu einigen kleinen Ausstellungen hat es schon gereicht. Mein Hobby bringt es natürlich mit sich, daß ich hin und wieder, wenn es meine Zeit erlaubt, auch die Vernissagen meiner Kollegen besuche. Und mir will einfach nicht aus dem Kopf, daß dieses Gesicht zu einem Menschen gehört, den ich als Kollege kenne.«
    »Er ist Maler?«
    »Richtig.«
    »Puh«, sagte ich und nahm erst einmal auf einem Drehstuhl Platz. »Das ist ein Hammer.«
    »Sicher, John.« Taylor

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