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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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das Stationszimmer und ging an Mikael vorbei, um sich einen Stuhl zu holen. Er beachtete den neuen Kollegen kaum, was darauf hindeutete, dass er selbst neu war, vielleicht ein Praktikant.
    Autio las die Krankenberichte vor und gab Mikael ergänzende Informationen zu jedem Patienten. Chronisch Kranke, die wegen eines vor Jahrzehnten begangenen Verbrechens in die Klinik eingeliefert worden waren und größtenteils nichts so sehr fürchteten, wie ins Zivilleben zurückgeschickt zu werden. Phobisch, aber friedlich. Ein paar schwierige Fälle, bei denen man aufpassen musste, weil sie in den letzten sechs Monaten einen Tobsuchtsanfall gehabt hatten.
    »Dein persönlicher Patient ist unser Sinuhe. Mit ihm kannst du anfangen. Sobald du dich eingearbeitet hast, bekommst du noch zwei weitere dazu.«
    »Sinuhe?«
    »Sein richtiger Name ist Olavi Finne«, erklärte Autio. »Ein harmloser Mann, der unter schweren Halluzinationen leidet. Seit dreizehn Jahren keinerlei Bewusstsein für seine Krankheit. Davor wahrscheinlich auch nicht. Er hat im Jahr fünfundneunzig den vierjährigen Sohn seines Neffen umgebracht.«
    »Okay«, antwortete Mikael. »Ich lese mir seine Akte durch, nachdem ich mit ihm gesprochen habe.«
    »Vorhin war er am Fenster und hat reingeglotzt«, sagte Stefu.
    »Tatsächlich?«, fragte Autio und blickte in den Aufenthaltsraum.
    »Ja. Wie eine verdammte Schneeeule«, lachte Stefu, »seine Augen sahen mal wieder aus wie Nebelleuchten.«
    »Ich habe ihn nicht bemerkt«, sagte Mikael.
    Er blickte durch das Fenster, sah aber nur das Publikum des Fernsehquiz, das starr in den Sesseln saß.
    »Der hat da am Fenster gestanden und dich angeglotzt.Wahrscheinlich hat er erraten, dass du sein neuer Pfleger bist. Normalerweise rührt er sich nicht aus seinem Zimmer.«
    »Aha«, sagte Mikael.
    Alli hatte wieder in ihrem Sessel Platz genommen und lächelte den Fernseher an. Mikael zog den Kragen hoch.
    »Na, dann an die Arbeit«, sagte Autio und schlug die Mappe zu. Die Pfleger standen langsam auf und dehnten die Glieder. Helminen erzählte Stefu von einem Glasfaserboot, das er für einen Hunderter von seinem Nachbarn gekauft hatte. Es müsse ein bisschen überholt werden, aber dann hätte er einen prima Flitzer. Die Männer gingen auf die Station, ohne die Patienten zu beachten, die sich ebenfalls erhoben und ihnen nachliefen wie eine Schar Enten. Sie wollten ihre stündliche Zigarette, frische Bettwäsche, Kaffee.
    »Den Regeln nach müsstest du das hier zuerst lesen«, sagte Autio und hob eine rote Mappe hoch. Mikael wusste, dass sie den Bericht über Olavi Finnes Einlieferung, sämtliche Gutachten sowie die Berichte der bisherigen Pfleger enthielt. Kein Mensch konnte sie komplett durchlesen.
    »Ich rede lieber zuerst mit ihm«, sagte er. »Sonst starten wir mit unserer Pflegebeziehung vielleicht auf dem falschen Fuß. So gefährlich wird er doch wohl nicht sein, der alte Mann.«
    »Pflegebeziehung«, wiederholte Autio und lachte. »Nee, Finne ist ungefährlich, auch wenn er selbst das Gegenteil behauptet. Du hast sicher von Lauri Kuutti gehört?«
    Mikael nickte.
    »Er war Finnes Pfleger. Du weißt bestimmt, wie er abgetreten ist?«
    Wieder nickte Mikael. Kuutti war auf der Autobahn mit Höchstgeschwindigkeit gegen einen Brückenpfeiler gerast, hatte in der Zeitung gestanden. Mikael erinnerte sich an den Bericht, hatte ihn aber erst mit Kuutti in Verbindung gebracht, als er auf der Station davon gehört hatte.
    »Finne behauptet, er habe Kuutti getötet, weil der sich alsinkompetent erwiesen habe. Tagelang hat er im Aufenthaltsraum darüber gelabert. Sonst kommt er ja fast nie aus seinem Zimmer.«
    »Hatten die beiden Streit gehabt?«, fragte Mikael.
    »In den Berichten steht nichts dergleichen. Aber man weiß ja nie, was im Kopf von so einem alten Schizophrenen abläuft. Irgendwer hat ihm verraten, dass der Unfallbericht in der Zeitung Kuutti betraf. Daraufhin ging das Theater los. Wahrscheinlich hat ihm der Artikel Angst gemacht, und deshalb hat er die Sache auf seine Weise rationalisiert.«
    Autio wollte noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders.
    »Na, sehen wir uns deinen Sinuhe mal an«, sagte er und warf die Mappe auf den Tisch.

7
    Der Aufenthaltsraum war leer, denn die Patienten waren den mit ihren Schlüsseln klimpernden Pflegern zu den Vorratsschränken gefolgt. Das Fernsehen lief ohne Publikum weiter.
    Mikael folgte Autio in den Männerflügel. An der ersten Zimmertür auf der linken Seite blieb

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