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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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stellen, dass sie nicht spöttisch klang.
    »Gesund werden, jawohl«, sagte Finne.
    Mikael wollte etwas Ermutigendes sagen, ließ es aber sein.
    »Warum sind Sie Ihrer Meinung nach hier?«, fragte er stattdessen.
    Finne drehte den Kopf ruckartig zur Seite, als hätte Mikaels Frage ihn daran gehindert, etwas Wichtigeres zu hören.
    »Weil ich eine Katze geopfert habe, verdammt. Steht doch alles in den Unterlagen.«
    Trotz seiner Verärgerung blieb seine Stimme ruhig.
    »Ich hatte noch keine Zeit, sie zu lesen«, erklärte Mikael. »Wollen Sie mir nicht davon erzählen?«
    »Da gibt es nichts zu erzählen«, antwortete Finne. »Ich habe eine Katze geopfert.«
    »Eine Katze, aha.«
    Mikael erkannte bereits jetzt, wie aussichtslos das Gespräch war, und wusste, dass sie sich von nun an jedes verdammte Mal, wenn er das Thema zur Sprache bringen musste, im Kreis drehen würden. Wie viel Arbeitszeit hatten der Chefarzt und die Pfleger vor ihm damit wohl schon vergeudet?
    »Haben Sie irgendwelche besonderen Wünsche?«, fragte er, um der Sackgasse zu entkommen. »Raucher sind Sie offenbar nicht?«
    »Einen Wunsch hätte ich«, sagte Finne.
    »Und der wäre?«
    »Geh weg.«
    Finne würdigte ihn keines Blickes, klang nicht frustriert, nicht wütend. Seine Gleichgültigkeit ärgerte Mikael plötzlich über die Maßen. Er war an die Wutanfälle der Männer auf der Station D gewöhnt, hatte in gewisser Weise sogar den Speichelregen genossen, der ihn traf, wenn sie damit prahlten, wie sie ihm die Arme ausreißen würden. Das hielt einen wach.
    »Aha«, sagte er. »Na gut, wir können später weiterreden.«
    Statt einer Antwort fing Finne an, sich heftig zu räuspern. Seine Schultern zuckten.
    Mikael glaubte schon, der Mann hätte einen Erstickungsanfall. Doch dann drehte Finne den Kopf zur Seite und spuckte aus. Ein dicker Speichelbatzen klatschte auf den Boden. Finne wischte sich das Kinn ab und starrte durch das Fenster, als wäre nichts gewesen.
    »Das müssen Sie aufwischen«, mahnte Mikael.
    Finne murmelte abwesend vor sich hin.
    Mikael stand auf und entnahm Finnes Kleiderschrank eine Unterhose, die er auf den Batzen warf.
    »So«, sagte er. »Besser als gar nichts.«
    Dann verließ er das Zimmer, blieb aber an der Tür stehen und betrachtete die Silhouette des Mannes, den symmetrischen Kopf und die klumpigen Schultern. Wie eine Puppe, der man Kopf und Arme abdrehen und aufs Kissen legen kann. In Mikaels Schläfen pochte es.
    »Ist die Pflegebeziehung schon zu Ende?«, rief Autio von der Tür zur Stationsküche.
    Mikael drehte sich zu ihm um und hüstelte.
    »Für diesmal. Ja.«
    »Ich führe dich kurz über die Station«, sagte Autio. »Und dann sehen wir uns Finnes Akte an.«
    Mikael hatte die meisten Patienten schon einmal gesehen, kannte die Gesichter von Spaziergängen, Sommerfesten und Therapiegruppen. Autio vollzog den Rundgang wie ein gelangweilter Museumsführer, begnügte sich bei manchen Patienten damit, auf sie zu zeigen und ihren Namen zu nennen. Offenbar wusste er, dass es bei einigen Zeitverschwendung war, ein Gespräch anzufangen. Die Patienten, deren soziale Kompetenz ausgeprägter war, stellten sich selbst vor. Manche erkundigten sich sogar freundlich, auf welcher Station Mikael bisher gearbeitet habe und wie lange und so weiter. Klinik-Smalltalk.
    »Harmlose Leute, wie du siehst«, sagte Autio, als sie zumStationszimmer gingen. »Ganz anders als auf der D. Ihr hattet doch diesen Aufstand, oder?«
    »Na ja«, antwortete Mikael, »das waren nur drei Patienten.«
    »Aber eine höllisch gefährliche Situation. Ist wohl nicht in deiner Schicht passiert?«
    »Nein, nein.«
    Mikael hatte damals im Anschluss an seinen Nachtdienst freigehabt, die Geschichte aber hundertmal gehört.
    Drei Patienten der Station D hatten gemeinsam ihre Flucht geplant. Einer von ihnen hatte um eine Tablette gegen seine Zahnschmerzen gebeten. Der Pfleger hatte zugelassen, dass der Patient ihm ins Stationszimmer folgte, was gegen die Regeln verstieß. Mit den Vorschriften ging man nur zu leicht nachlässig um, wenn man glaubte, die Patienten seien Marionetten, die man mit Medikamenten steuern konnte.
    Der Patient hatte seinem Pfleger mit einem Stift in den Hals gestochen und dann noch dreimal in den Nacken, als der Mann bereits am Boden lag. Dann hatte er sich den Schlüssel geschnappt, und bevor der Zwischenfall entdeckt wurde, hielt er seinen Kumpanen bereits die Tür auf. Nach dem Alarm war es zum blutigsten Kampf gekommen, den die

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