Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
Vom Netzwerk:
für Schindel, und jetzt stand es da, fast fix und fertig, eine feindliche Festung auf seiner Insel.
    »Was jetzt?«, fragte Agatha. Sie hob eine Hand, um ihre Augen vor dem Licht zu schützen. Inmitten von so viel Dunkelheitund den gespenstischen Geräuschen des Windes wirkte sie jung und unsicher.
    »Wir gucken weiter.«
    Hinter einer schmalen Tür in der Küche lag ein gefliester Raum mit Hakenleisten, der aussah, als sollte er die Schmutzdiele werden. Von dort führte eine Hintertreppe aus unbehandeltem Sperrholz ins Obergeschoss. Winn schickte Agatha vor und beleuchtete ihren Weg so gut er konnte. Sie stieg gebückt hinauf, und ihre Beine bildeten einen Spitzbogen, durch den er sah, wie ihre Hände nach den Stufen suchten. Das Licht hüpfte über ihre Schenkel – die jetzt nicht wie sonst golden, sondern steif und bleich wirkten – und die entblößten Kurven des Übergangs zu ihrem Gesäß, doch obwohl er hinsah und freier war als je zuvor, sie bei den Knöcheln zu packen und ihr mit einem Griff den lavendelfarbenen Fetzen unter ihrem Rock auszuziehen, war sein Verlangen unerklärlicherweise erlahmt. Vielleicht war er zu alt für all diese Ausschweifungen, den Sex, die Drogen, den unerlaubten Zutritt. Vielleicht, aber noch war er nicht bereit, eine Niederlage einzugestehen.
    Oben ließ sie ihn vorbeigehen, hakte sich mit einer Hand hinten an seinem Gürtel ein und durchwanderte, ohne loszulassen, mit ihm eine weitere Reihe tiefseefinsterer Räume, als wären sie Taucher auf einem Wrack. Der Fußboden war von aufgedrehten Leitungen, auseinandergefalteten Pappkartons, Kitt- und Acryltuben und gespenstischen Plastikfolien vermüllt. An einer leeren Wand blitzte plötzlich ein dort abgestellter Badezimmerspiegel auf. Sie gelangten zu einer weiteren Treppe und stiegen ins Dachgeschoss hinauf, dessen viele schrägen Decken das innere Abbild des verwinkelten Daches bildeten. Die Gaubenfenster klapperten lauter inihren Rahmen als die Fenster in den unteren Stockwerken – vielleicht versuchte Fenn hier zu sparen –, und Winn konnte das Rauschen der Wellen vom Waskeke Sound hören. Mit Agatha im Schlepptau wie ein Beiboot bewegte er sich auf die nächste Treppe zu, eine leiterartige Stiege an der anderen Wand, als ihn etwas Hartes und Schweres am Schienbein traf. Mit einem Schrei stürzte er vornüber und riss Agatha mit um. Sie landeten aufeinander, er auf dem Bauch und sie der Länge nach auf seinem Rücken. Stöhnend wälzte er sich unter ihr heraus, rückte die Brille wieder gerade und suchte mit dem Strahl der Taschenlampe nach dem Schuldigen. Es war eine glänzendweiße Kloschüssel, die ganz allein mitten auf dem leeren Holzfußboden saß. Die Schmerzen in seinem Bein waren kaum auszuhalten. »O Gott!«, rief er. »Mein Bein!«
    »Mein Finger!«, schrie Agatha. »Scheiße.« Er schwenkte den Lichtstrahl zu ihr hinüber. Sie lag auf der Seite und hielt sich die verbundene Hand vors Gesicht. In seiner Kehle stieg ein Lachen auf. Einen Moment lang spannte er alle Muskeln an, um sich dagegen zu wehren, doch dann überwältigte ihn der Anfall, und er platzte laut heraus. Hilflos ließ er die Taschenlampe wegrollen und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Tränen liefen ihm über die Wangen. Das Gefühl war euphorisch, schwindelerregend, und er war völlig aufgelöst, wie in der Achterbahn, wenn man sich gegen die Geschwindigkeit spannt, es im Magen kitzelt und durch das Blut bunte Lichter strömen. Agatha steckte sich an. Sie warf sich auf ihn, und er spürte ihre bebenden Brüste an seinem Bauch. Dies war nicht ihr übliches Lachen. Er hörte kein heiseres Haha, sondern bloß Schnaufen und Glucksen.
    Der Schmerz in seinem Bein verschwand. Er fühlte sich leicht wie ein Vogel. Er packte Agatha bei den zuckendenSchultern und rollte sich auf sie, fand mit dem Mund klebrige, tränenverschmierte Wangen und dann ihren nassen Mund. Einen Augenblick lachte sie noch weiter, doch dann erwiderte sie seinen Kuss und saugte sich mit der Entschlossenheit eines trinkenden Fohlens an ihm fest. Die Taschenlampe war unweit von ihnen liegengeblieben; sie beleuchtete einen Streifen Fußboden und einen Kreis an der Wand. Die hellen Enden ihrer zerzausten Haare fingen das Licht. Als seine Finger von ihrer Brust zu ihren Rippen und weiter zu ihrem Schritt wanderten, meldete sich bei ihm kurz die Furcht, dass sie wieder trocken sein könnte, doch war sie diesmal funktionsfähig. Er entließ einen Ausruf der Erleichterung in ihren

Weitere Kostenlose Bücher