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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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verloren. Vollkommen. Nicht genug damit, dass du dich wie ein Flittchen aufführst, nein, du schießt deine Ehre in den Wind, und die der ganzen Familie gleich mit. Das gehört sich nicht. So verhält sich kein Erwachsener. Keiner wird dich mehr respektieren.« Er hielt inne, da seine Quelle der Selbstgerechtigkeit unerwartet versiegte.
    »Daddy, bitte hör auf. Es ist passiert. Es tut mir leid. Bitte quäl mich nicht. Wie peinlich dir das Ganze auch sein mag, glaub mir, ich fühle mich noch tausendmal schlimmer.«
    »Für dich ist alles immer schlimmer, ja? Als ob das eine Entschuldigung wäre. Erst kannst du deine Beine nicht zusammenhalten, und dann kannst du auch den Mund nicht halten. Denk doch ein einziges Mal an die anderen. Vor dem Ophidian habe ich nun mal großen Respekt, und ausgerechnet da musst du unsere Familie in den Dreck ziehen. Ich kann vieles verzeihen, Livia, aber ich bin mir nicht sicher, ob das dazugehört.« Er hörte sie schnaufend ein- und ausatmen. »Hallo?«, sagte er. »Livia?«
    »Der Ophidian?« In ihrer Stimme lag ein schriller Ton. »Du findest, das Schlimmste daran ist, dass es im Ophidian passiert ist?«
    »Der Ophidian bedeutet mir sehr viel.« Am liebsten hätte er sie angebrüllt, dass er sich einen Sohn gewünscht hatte, der Mitglied im Ophidian sein würde, keine Tochter, die sich von einem Mitglied schwängern ließ.
    »Steck dir deinen blöden Club doch in den Arsch, Daddy. Weißt du, was die Leute noch respektieren? Ein winziges bisschen Loyalität vom eigenen Vater.« Es klickte in der Leitung.
    »Hallo? Livia? Wag es ja nicht aufzulegen!«
    »Sie hat aufgelegt«, sagte Biddy.
    Winn nahm die Brille ab und rieb sich übers Gesicht. Dann setzte er die Brille wieder auf, griff nach seinem Stift und wandte sich entschlossen wieder den Papieren zu. Biddy trat näher. »Winn?«, sagte sie.
    Winn hielt ein Blatt unter die Lampe und runzelte die Stirn. »Was ist?«
    »Ich finde, du hättest das anders angehen können.«
    »Sie hat gesagt, ich soll mir den Ophidian in den Arsch stecken. Reden so zivilisierte Menschen mit ihrem Vater? Nein. Ich werde ihr nicht entgegenkommen. Sie ist völlig außer Rand und Band. Wahrscheinlich die Hormone. Ich dringe nicht zu ihr durch, wenn sie so ist.«
    »Dein Studienabschluss liegt fast vierzig Jahre zurück. Musst du wirklich den Ophidian über dein Kind stellen?«
    »Das habe ich nicht getan.«
    Sie ging um den Schreibtisch herum, so dass sie ihm gegenüberstand, und klopfte auf die Tischplatte, damit er aufblickte. Er hätte ihre Hand am liebsten weggeschlagen. »Wirklich nicht?«, fragte sie.
    »Nein!«, erwiderte er, beinahe so laut, dass er schrie. Er holte tief Luft. »Jetzt hör mal zu, Schatz.« Er legte den Stift weg und faltete die Hände. »Ich war früher einer von diesen Jungs. Ich habe nur versucht, ihr zu erklären, was sie getan haben, weil ich dachte, eine andere Sichtweise wäre vielleicht hilfreich. Damit sie nicht alle gleich standrechtlich erschießt, verstehst du? Ich gebe gerne zu, dass ich nicht weiß, wie es sich anfühlt, ein schwangeres Mädchen von zwanzig Jahren zu sein. Noch dazu eins, das zu einer Party mit Kindern von unseren Freunden geht und da verkündet, dass sie sich« – erschob seine Papiere hin und her – »in eine schwierige Lage gebracht hat. Wenn ich also nicht so diplomatisch war, wie ich hätte sein können, dann bitte ich um Entschuldigung.«
    »Livia ist unglücklich«, sagte Biddy. »Was sie getan hat, war falsch, aber es tut ihr doch offensichtlich sehr leid.«
    »Das ist doch wohl das Mindeste!«, platzte es aus ihm heraus. »Ein bisschen Kummer hat sie durchaus verdient. Ich gebe mir alle Mühe, sachlich zu bleiben, Biddy, aber sie macht es mir wirklich nicht leicht. Was erwartest du denn noch von mir?«
    »Es wäre schön, wenn wir nicht immer nur vermuten müssten, dass du uns liebst.« Biddys Stimme klang rau, aber Winn war nicht in der Stimmung, schon wieder eine Frau zu trösten.
    »War und bin ich dir etwa kein guter Ehemann?«, sagte er. »Habe ich nicht immer für dich gesorgt? Dir Freiheit und Unterstützung gewährt? Ich behandle dich nicht schlecht. Ich beschwere mich nicht über deine Familie. Ich habe dir freie Hand gelassen, was diese Hochzeit angeht. Was erwartest du noch von mir, Biddy? Bin ich ein guter Ehemann oder nicht?«
    Biddy hob das Haupt. »Ich glaube«, sagte sie, »ein besserer Ehemann hättest du wirklich nicht sein können. Leider.«
    So schnell, wie Winn sie

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