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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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umherstolzierte wie ein Hahn.
    Und nun war sie eine alte Frau, bald Urgroßmutter, die an einem Sommerabend auf einer Party herumsaß und anden Tod dachte. Greyson schlug den Federball über Dicky juniors Kopf hinweg ins Gras und drehte sich um, weil er sich vergewissern wollte, dass Daphne es gesehen hatte. Die Liebe war nur eine weitere Sache, die es ihr schwermachen würde zu sterben. Wann war sie so trübsinnig, so resigniert geworden? Sie wusste es nicht. Die täglich wiederkehrende Wanderung der Sonne über den Himmel hätte in ihr die Illusion wecken können, sie folge einem unendlichen Kreislauf, doch sie wusste, dass sie sich auf einer geraden Bahn dahinbewegte. Was war sie nur für ein Partygast. Und wie grausig der Wodka der Van Meters schmeckte. Sie schloss die Augen und presste sich die Hand an die Lippen.

7 · Die Schlange in der Wäsche
    D ie Hummer hatten die clownrote Farbe des Todes angenommen. Mit einer Zange fischte Winn sie aus dem Topf und verfluchte dabei leise die Hitze und Livia. Das Öl in der Pfanne rauchte, er warf Dickys Thunfisch hinein und dachte dabei erneut an Agatha auf Mr. Buckleys Sessellehne. Wie kamen diese Mädchen nur auf die Idee, dass sie sich einfach auf die Sessellehnen von irgendwelchen Männern setzen konnten? Livia tat so, als hätte er sie provoziert, dabei war sein Verhalten unanfechtbar gewesen. Alles, was er von ihr verlangt hatte, war ein Minimum an Höflichkeit und ein klein wenig Anstand, aber sie verhielt sich wie eins von ihren Meerestieren, die sich bei der kleinsten Störung aufblähten und ihre Warnfarben zeigten.
    Die beiden schrecklichen Anrufe waren kurz vor Weihnachten gekommen, der erste an einem Abend, als Winn und Biddy nach einer Party beschwipst in der Küche gesessen und in Versandhauskatalogen geblättert hatten. Winns rote Fliege hing lose um seinen offenen Kragen, und Biddy, die normalerweise kaum etwas trank, war vom Glühwein charmant gerötet und hatte sich einen kleinen Mistelzweig hinters Ohr gesteckt. Als das Telefon klingelte, nahm sie den Hörer ab. Sie lächelte, doch dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
    Er blickte von einer Seite voll Hundekissen mit Monogrammen in lauter unterschiedlichen Farben und Schottenmustern auf. »Was ist?«
    »Sie ist schwanger«, sagte Biddy.
    »Wer ist schwanger?«
    »Livia.«
    » Livia? «
    Er wollte ihr den Hörer entreißen und versuchte es sogar, erfüllt von der verrückten, unbezwingbaren Überzeugung, die Katastrophe noch abwenden zu können. Er musste seine Tochter nur zur Vernunft bringen, ihr klarmachen, dass es inakzeptabel war, dass er sich das keinesfalls bieten lassen würde, dass diese Familie so nicht funktionierte. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass sie schwanger war, und damit basta. Aber sie stand nicht irgendwo an einer Klippe und überlegte, ob sie schwanger werden sollte oder nicht. Es war bereits passiert, die Würfel waren gefallen. Biddy wehrte ihn zunächst mit scheuchenden Handbewegungen ab, und dann, als er zu einem anderen Apparat im Haus laufen wollte, hielt sie ihn am Gürtel fest. Sie klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter. »Nein, Winn«, sagte sie. »Noch nicht. Du sitzt auf der Ersatzbank.«
    Vermutlich hatte sie recht daran getan, ihn zum Küchentisch zurückzuschicken, wo er das Gespräch nur mit finsterer Miene verfolgen, oder sich besser gesagt erschließen konnte und sich aus Biddys Kommentaren zusammenreimte, dass Livia einfach aus einer Laune heraus beschlossen hatte, auf jede Form von Verhütung zu verzichten, und dass ihr klar war, dass sie es nicht behalten konnte. Aus ziellosem Tatendrang öffnete er alle Türen des Adventskalenders, den Biddys Schwester Tabitha ihnen geschickt hatte, drückte die Schokoladenstückesamt Krümeln auf den Tisch, holte den Mülleimer unter der Spüle hervor und schob den ganzen Haufen hinein. Es gab lange Abschnitte, in denen Biddy nichts sagte, sondern nur tröstende Geräusche von sich gab, so dass er wusste, dass Livia am anderen Ende weinte. Was hatte sie erwartet, fragte er sich. Was um alles in der Welt hatte sie sich nur dabei gedacht? Er schlug mit der flachen Hand auf den Küchentisch und knirschte mit den Zähnen.
    Im Lauf der nächsten Tage beruhigte er sich. Zunächst war er davon ausgegangen, dass Livias Zustand für jedermann sichtbar war. Er hatte sich vorgestellt, wie sie zu Beginn der Weihnachtsferien in Umstandsklamotten angewatschelt kam und vor der Welt versteckt werden musste, die

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