Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
Feiertage ruiniert von der öffentlichen Schande. Doch allmählich begriff er, dass Livia erst ein ganz klein wenig schwanger war, die Hüterin eines winzigen, rudimentären Embryos und sonst nichts. In einer Anwandlung von Großmut schickte er ihr eine E-Mail, in der er ihr Unterstützung versprach. »Liebe Livia«, schrieb er. »Es tut mir leid, dass sich die Dinge so unglücklich entwickelt haben. Jeder macht mal Fehler, und wir werden das Ganze diskret handhaben. Ich hoffe, das alles lenkt dich nicht zu sehr von deinem Studium ab. Halt dich wacker, Kleines. Dad.«
Ausgerechnet Teddy Fenn! Winn mochte den Jungen durchaus gern (schließlich waren sie beide Ophidianer), und Livia war ganz vernarrt in ihn, aber es war immer klar gewesen, dass die Beziehung nicht von Dauer sein würde. Sie waren jung; Livia war zu offensichtlich verknallt, Teddy war es nicht ernst genug. Eigentlich hatte Winn darauf gewartet, dass die Beziehung enden würde, je eher, desto besser. Die Vorstellung, durch irgendetwas Stärkeres als diezarten Bande erster Liebe an Jack und Fee Fenn gebunden zu sein, erfüllte ihn mit Widerwillen, und er klammerte sich an die zugegebenermaßen geringe Hoffnung, dass Teddy seinen Eltern nichts von Livias Zustand erzählt hatte. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hoffte er, dass Jack Fenn bei sich zu Hause nicht ebenfalls halbbekleidet in der Küche saß und versuchte, sich mit dem Gedanken an ein prospektives gemeinsames Enkelkind anzufreunden. Er schob die Vorstellung beiseite und bereitete sich darauf vor, das Ganze auszusitzen. Und bald darauf rief Livia erneut an, diesmal um ihnen mitzuteilen, dass Teddy mit ihr Schluss gemacht hatte.
Während Livia sprach, saß er in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, wo er besorgt irgendwelche Finanzunterlagen studiert hatte, und sein Blick wanderte immer wieder zu den Zahlenreihen.
»Tut mir leid, das zu hören, mein Mädel«, sagte er. »Aber am Ende wird alles gut. Du wirst schon sehen.«
»Nein, gar nichts wird gut.« Ein rotzerfülltes Schniefen drang durch die Leitung in sein Ohr, und er musste beinahe würgen. »Ich habe ihm meine Jungfräulichkeit geopfert, und das ist der Dank?«
Winn legte die Hand über die Sprechmuschel. »Biddy!«, rief er. »Telefon!«
Biddy nahm in einem anderen Zimmer ab, und Winn hörte zu, wie Livia die Geschichte ein zweites Mal erzählte. Teddy war zu ihr gekommen und hatte ihr gesagt, er habe schon seit einer Weile darüber nachgedacht, die Beziehung zu beenden, und das mit der Schwangerschaft sei einfach zu viel für ihn.
»Er hat gesagt, es wäre zu schwer für ihn«, schniefte Livia. »Heult mir was vor! Als ob es für mich nicht auch schwer wäre. Und dann hat er gesagt, er könnte bei dem, was ichvorhätte, beim besten Willen nicht mitmachen. Ach, und das Beste ist, jetzt ist er auf einmal katholisch. Ich hab gesagt, aber du gehst doch nie in die Kirche. Und er: Man muss nicht in die Kirche gehen, um katholisch zu sein. Dann hab ich gesagt, das mag sein, aber es würde die Theorie stützen, dass du mich wegen deines Glaubens verlässt und nicht weil du ein feiges Arschloch bist.«
»Ich meine mich zu erinnern, dass Jack katholisch ist«, sagte Winn.
»Also, das höre ich zum ersten Mal.«
»Hmm«, sagte Winn und überlegte. »Hat er es seinen Eltern gesagt?«
»Weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Seine Freunde wissen jedenfalls nichts davon.« Livia kam langsam in Fahrt. »Bloß nichts tun, um schlecht dazustehen, denkt er bestimmt.«
»Vielleicht findet er auch nur, dass es niemanden etwas angeht«, wandte Biddy ein, »und will nicht, dass über dich geredet wird.«
»Seine Freunde haben sogar eine Party für ihn geschmissen«, fuhr Livia fort. »Eine ›Emanzipationsfeier‹, wie sie es nannten. Und sie haben lauter Mädchen eingeladen, nuttige Mädchen, genug um einen Fischteich zu bevölkern, und den Tussen klargemacht, dass sie eingeladen waren, um meinen Freund zu ficken. Glückwunsch, ihr seid leicht zu haben! Ihr seid was Besonderes! Ich kenne jede Menge Leute, die da waren. Leute, von denen ich dachte, sie wären meine Freunde. Ist das nicht zum Kotzen?«
»Es gibt keinen Grund, ausfallend zu werden«, sagte Winn. Er drehte seinen Stift hin und her. Er kannte diese Partys. Man sorgte dafür, dass genug zu trinken da war undlud ein paar Mädchen ein, um den frischgebackenen Single zu trösten. Völlig harmlos im Grunde. Nur eine Geste der Unterstützung.
»Ja, das ist zum Kotzen«, sagte Biddy.
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