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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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gehörte der Hund?«, sagte Winn. »Wer lässt seinen Hund so frei herumlaufen?« Er wusste, dass Celeste dank langjähriger Erfahrung ein gutes Gespür für den Grad der Trunkenheit anderer hatte, so wie die älteren Verkäufer bei Brooks Brothers mit einem Blick den passenden Anzug für ihn fanden, deswegen machte er sich nicht die Mühe, das Glissando zu kaschieren, das seine Worte zu einer langen Kette aneinanderfügte. Er war sicher, dass sie nichts dazu sagen würde, nicht mal als Retourkutsche für seine billige Stichelei über ihre Trinkerei, als sie sich am Nachmittag unter den Bäumen begegnet waren.
    »Alle mochten den Hund. Er hat der Party nur ein bisschen Pfeffer gegeben, etwas, worüber man reden konnte, genau wie deine kleine Kabbelei mit Livia. Mach dir darüber keine Gedanken, alter Freund. Komm wieder runter. Die Duffs wollen sich auf den Weg machen.«
    »Ich brauche frische Luft«, sagte er. »Hat Biddy dich raufgeschickt, um mich zu holen?«
    Ihr straffes, geschminktes Gesicht schwebte in der Dunkelheit wie losgelöst von ihrem Körper. »Nein«, sagte sie. »Ich brauchte auch frische Luft. Da unten wird so viel geredet, dass man kaum noch atmen kann. Ich liebe diese Witwensteige. Sie sind so romantisch.«
    »Man hat mir gesagt, die korrekte Bezeichnung ist Dachterrasse. Das mit dem Witwensteig hat sich ein Makler ausgedacht. Weil es so romantisch klingt. Dann können die Leute sich vorstellen, sie wären Seefahrer.«
    »Mir gefällt’s«, sagte Celeste. »Der Inbegriff von Verlust und weiblicher Stärke. Wenn ich draußen auf See wäre, wüsste ich gerne, dass jemand auf mich wartet – du nicht?« Sie zog ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Tasche. »Willst du eine?«
    Er hatte seit Jahren nicht mehr geraucht. »Ja«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, ob ich sie bei dem Wind angezündet kriege«, sagte sie und schob sich den Stängel zwischen die Lippen. Sie holte ein Feuerzeug hervor und drehte sich von ihm weg, die gewölbte Hand wie eine orangerote Orchestermuschel hinter der Flamme. »Da«, sagte sie und reichte ihm die brennende Zigarette. »Die ist für dich.«
    Er nahm einen Zug. Das Gefühl war himmlisch. Sie zündete eine zweite für sich an.
    »Glaubst du«, sagte er und bedauerte, dass er vorher so ruppig zu ihr gewesen war, »Livia denkt, sie und Teddy kommen wieder zusammen?«
    »Wahrscheinlich«, sagte sie.
    »Es ist so irrational, das kann ich nicht leiden.«
    »Wo bleibt der Spaß, wenn man immer rational ist?«
    »Es geht mir nicht um Spaß.«
    »Nein, Spaß ist nicht so dein Ding. Lass Livia denken, was sie will. Es ändert sowieso nichts.« Celeste versetzte seinem Arm einen leichten Knuff. »Die Hochzeit wird schön«, sagte sie. »Wirklich schön. Das weiß ich. Ich wünschte, meine Hochzeit wäre so schön gewesen.«
    »Welche? Die mit Wyeth?« Sie hatte Wyeth heimlich geheiratet, auf dem Standesamt.
    »Nein, nein. Die erste. Mutter und Vater hassten David so sehr, dass ich um jede einzelne Rose betteln musste. Beim Empfang hinterher gab es Hähnchen. Hähnchen . Nicht, dassder Hauptgang wichtig sein sollte, wenn man in ein eigenes Leben aufbricht und so weiter, aber damals hat mich das wirklich gefuchst. Vielleicht standen David und ich von Anfang an unter einem schlechten Stern.«
    Winn dachte bei sich, dass die Probleme zwischen Celeste und David wohl mehr mit ihrer Trinkerei und seiner langen, wehleidigen Arbeitslosigkeit zu tun gehabt hatten, doch das behielt er für sich. »Aber deine Hochzeit mit Herbert war ein Riesenfest.«
    »Und die Ehe stand trotzdem unter einem schlechten Stern? Wolltest du das sagen? Da kannst du recht haben. Allein viertausend Dollar für Austern, und nach zwei Jahren war alles vorbei.«
    Winn trank aus seiner Flasche und Celeste aus ihrem Glas. Sie beugte sich über das Geländer. »Sieh dir das an«, sagte sie und deutete nach unten. Er konnte nur die Umrisse von Sterling und Agatha ausmachen, die eng nebeneinander auf dem Rand der Terrasse saßen. »Das perfekte Paar. Einer so unmöglich wie der andere.«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte er, bemüht, gleichgültig zu wirken.
    Celeste schwieg eine Weile, dann sagte sie leise, und ohne ihn anzusehen: »Tu das Richtige. Sorg dafür, dass es für Biddy ein schönes Wochenende wird.«
    Er wurde zu Eis. »Natürlich wird es für Biddy ein schönes Wochenende.«
    »Ich meine nur ... bitte denk an sie. Ich weiß, ich habe kein Recht, irgendjemandem Vorträge über Selbstbeherrschung zu halten, aber

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