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Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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ja, machen Sie mir noch eins!« Und dabei sagte er sich: Ich drücke nachher einfach ein bisschen auf die Tube. Und wenn ich Glück habe und nicht viel los ist auf den Straßen, bin ich um eins da.
    In dem Moment ging die Tür auf, und eine junge, mit einem knallroten Anorak, Jeans und hellen Cowboystiefeln bekleidete Frau kam herein. Die Spitzen ihrer blonden Haare kräuselten sich wie Federn auf ihren Schultern.
    »Hallo!«, sagte sie, ohne Küppers eines Blickes zu würdigen, und stellte ihre Handtasche auf dem Tresen ab.
    »Tag, Carola«, sagte der Wirt. »Kaffee?«
    »Ja, bitte«, erwiderte die Frau, nahm ihre Zigaretten aus der Handtasche und steckte sich eine an.
    »Zu Hause alles klar?«, fragte der Wirt und spießte den Bon, den die kleine altmodische Registrierkasse auf Knopfdruck ausgespuckt hatte, auf eine Art Nagel, der in einem kleinen Holzklotz steckte.
    »Wie man’s nimmt«, antwortete die Frau und blies den Rauch ihrer Zigarette in den Lichtkegel der kleinen, über dem Tresen hängenden Lampen, worin er sich in engen grauen Schleifen drehte. »Meine Mutter ist heute Morgen aus dem Bett gefallen, hat sich aber, Gott sei Dank, nichts gebrochen. Verdammt zäh, die Alte!«
    »Genau wie du«, sagte der Wirt und lachte.
    »Komm, red kein Stuss, und mach mir lieber ’n |28| Klaren dazu!«, antwortete die Frau, drehte sich nun zu Küppers hin, so als hätte sie ihn erst jetzt bemerkt, und sagte: »Auf der Durchreise?«
    Doch ehe Küppers antworten konnte, sagte der Wirt: »Der Herr ist auf dem Weg zu seinem Sohn.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Küppers und griff nach dem neuen, vor ihm stehenden Bierglas. »Er ist acht.«
    »In dem Alter ist die Welt noch in Ordnung«, sagte die Frau und angelte nach dem Klaren, den der Wirt ihr hingestellt hatte.
    »Du musst es ja wissen«, sagte der Wirt.
    »Na, ist doch so«, sagte die Frau und kippte den Klaren auf einen Zug. »Oder etwa nicht?« Während sie das sagte, blickte sie Küppers auffordernd an.
    »Doch, doch«, antwortete der und musste dabei an seinen Sohn denken, der bestimmt schon ganz aufgeregt war. Genau wie er selbst. Und nachdem er bei einem flüchtigen Blick auf die Uhr gesehen hatte, dass es bereits zehn vor zwölf war, sagte er, obwohl er wusste, dass es falsch war: »Kann ich auch so einen haben?« Er sagte sich: Nach all den Jahren kommt es ja wohl nicht auf eine halbe Stunde an. Außerdem haben wir ja noch den ganzen Nachmittag. Und mit Blick auf die Frau ergriff er das gefüllte Schnapsglas, hob es in die Höhe und sagte: »Na, dann prost!«
    Im selben Moment fiel ihm ein, dass er überhaupt kein Geschenk für Robert hatte, nichts. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, in der Spielzeugabteilung etwas zu besorgen. Einen Teddybär zum Beispiel. Oder ein Spielzeugauto. Irgend so etwas eben, womit man einem Achtjährigen eine Freude machen konnte. Aber |29| vielleicht konnte er ja noch irgendwo halten. Ja, so würde er es machen.
    Küppers, der zum Frühstück lediglich eine Tasse Kaffee getrunken hatte, begann den Alkohol zu spüren und sagte mit einem flauen Gefühl im Magen: »Ich müsste, glaube ich, was essen.«
    »Warme Küche gibt’s erst ab sechs, aber eine Frikadelle mit Brot können Sie haben«, sagte der Wirt. »Oder ein Solei mit Senf und Brot.«
    »Dann nehme ich die Frikadelle«, sagte Küppers und hatte das Gefühl, dass etwas aus der Mitte seines Körpers hinunter in seine Beine glitt, die schwer wurden.
    »Kommt sofort«, sagte der Wirt und verschwand durch eine Tür hinter der Theke.
    »Wie heißt denn Ihr Sohn?«, wollte nun die Frau wissen und steckte sich eine neue Zigarette an.
    »Robert«, sagte Küppers.
    »Lebt er bei Ihrer Frau?«
    »Nicht ganz«, antwortete Küppers, der überlegte, was er sagen sollte, wenn die Frau weiterfragen würde.
    »Also bei Ihrer Mutter?«
    »Ja, genau, bei meiner Mutter.«
    »Ich lebe auch mit meiner Mutter zusammen«, sagte die Frau. »Sie hat Parkinson, im Endstadium. Im Moment ist eine Pflegerin bei ihr.«
    »Das tut mir leid«, sagte Küppers und nahm einen Schluck Bier.
    In dem Moment klappte die Tür wieder auf, der Wirt stellte den Teller mit der Frikadelle vor ihn hin und sagte: »Einen guten!«
    |30| »Ja«, sagte die Frau und nickte kurz in Küppers Richtung. Und keine zwei Minuten später stand ein weiteres frisch gezapftes Pils vor ihm.
    »Danke«, murmelte Küppers, tunkte die Frikadelle in den sämigen Senfklecks und biss in die Scheibe Schwarzbrot. Er versuchte sich vorzustellen,

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