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Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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Ursula-Wahn. Ja, dachte Bellmann, Elke hat ganz recht.
    Verächtlich blickte er wieder auf das Foto an der Wand. Und dann sagte er: »Wollen wir unten einen Kaffee trinken?«
    »Was?«, sagte sein Vater.
    »Ob wir unten einen Kaffee trinken wollen.«
    »Hat sie dicke Brüste? Diese Elke? Ich meine, solche wie Ursula!« Dabei modellierte er mit seinen Händen deren Form und leckte sich über die blassen Lippen.
    »Hör sofort auf damit!«, sagte Klaus Bellmann. »Das ist ja ekelhaft!«
    »Du bist ekelhaft.«, erwiderte sein Vater. »Du bist ein Schwein«, sagte er und machte Grunzlaute.
    »Was soll denn das jetzt?«, sagte Klaus Bellmann. »Ah, ich verstehe, du willst mich provozieren. Aber das schaffst du nicht. Keine Chance mehr.«
    Als Junge hatte er geahnt, dass er, wenn er groß wäre, seinem Vater ähnlich sein würde. Und dass er seine eigenen Schritte innerhalb von dessen Grenzen würde planen müssen.
    Nun stand sein Vater auf, ging aber sofort wieder in |21| die Knie und begann, auf allen vieren durch den Raum zu kriechen. Dabei gab er erneut Grunzlaute von sich.
    »Vater«, rief Klaus Bellmann, »hör auf damit, du verdammter Idiot!« Dann packte er die linke Schulter seines Vaters und versuchte ihn hochzureißen. Doch es gelang ihm nicht. Der Alte war einfach zu schwer.
    »Vater!«, rief er wieder, hielt aber plötzlich inne und horchte dem Klang seiner eigenen Stimme nach. Dann wandte er sich von dem Alten, der grinsend auf dem Boden saß, ab und trat ans Fenster. Als er sich nach ein paar Minuten umdrehte, hatte sich sein Vater wieder hingelegt.
    »Was ist mit dir?«, rief Klaus Bellmann. »Bist du müde? Willst du noch ein bisschen schlafen?«
    Der Alte hielt die Augen geschlossen und antwortete nicht. Da ging Bellmann zum Schreibtisch, zog den Stuhl heran und nahm Platz. Er schlug das Heft auf, ergriff den Kugelschreiber und überlegte. Dann fing er an zu schreiben.
    Als er eine halbe Stunde später unten vor der verschlossenen Tür stand, sah ihn die Schwester, die ihn hereingelassen hatte, erwartungsvoll an und fragte: »Alles in Ordnung, Herr Bellmann?«
    »Ja«, antwortete Bellmann zufrieden.
    Die Schwester fixierte ihn auf eine Weise, die ihm unangenehm war. Als suche sie etwas in seinem Gesicht.
    »Was ich Ihnen immer schon mal sagen wollte«, begann sie. »Sie und ihr Vater …«
    Doch Bellmann unterbrach sie sofort und sagte entschieden: »Machen Sie mir bitte die Tür auf!«
    |22| »Oh, ja, natürlich, Entschuldigung!« Sie zog den schweren Schlüsselbund aus ihrer Jackentasche und schloss die Tür auf. Mit schnellen Schritten lief Bellmann zu seinem Wagen und stieg ein.
    Er ließ seinen Blick ein letztes Mal hinauf zu den vergitterten Fenstern gleiten. Dann schaltete er den Motor ein, und das Radio ging an. Es lief eine Jazznummer, irgendetwas von Stan Getz. Kleine Besetzung: Saxophon, Klavier und Schlagzeug.
    Er legte den Rückwärtsgang ein, rangierte den Wagen aus der Parklücke und fuhr an dem Pförtnerhäuschen vorbei. Dabei hob er kurz die Hand zum Gruß.
    Als er etwa eine Stunde gefahren war, klingelte sein Handy. Die Krankenschwester erklärte, sein Vater habe geschrien und in einem unerklärlichen Anfall größter Erregtheit sein Notizheft zerrissen. Anschließend sei er in eine Art katatonische Starre verfallen. Noch immer sei er nicht ansprechbar. Sie versprach ihm, sich wieder zu melden, sobald es etwas Neues über seinen Vater zu berichten gäbe.
    Bellmann bedankte sich für den Anruf und unterbrach die Verbindung. Und lächelte.

|23| Zwei
    »Morgen besuche ich meinen Jungen!«, sagte Küppers, schloss die Tür seines Spinds auf, zog seinen fleckigen hellen Arbeitskittel aus und hängte ihn hinein.
    Es war Freitag, und Küppers und seine Leute hatten eine anstrengende Woche hinter sich. Zuletzt hatten sie ein paar Mal bis tief in die Nacht gearbeitet, um die letzten Fenster mit der Frühjahrskollektion fertigzustellen. Küppers war Chefdekorateur eines großen Warenhauses und hatte sechs Mitarbeiter.
    »Du hast einen Sohn?«, fragte Grasskamp überrascht, der zwei Meter von ihm entfernt vor seinem geöffneten Spind stand und sich ebenfalls umzog. »Das wusste ich ja gar nicht.«
    »Klar«, antwortete Küppers großspurig und nahm sein Sakko aus dem Spind, »der ist jetzt mindestens so groß.« Dabei hielt er den ausgestreckten linken Arm vor Grasskamps Brust. »Ist ’ne alte Geschichte.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Robert«, antwortete Küppers stolz und begann darüber

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