Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Andrew und die Geschichte von dem Supergewinn waren ihr von Anfang an suspekt vorgekommen.
Zwanzig Minuten später trat Ven aus ihrem Zimmer. Roz folgte ihr unauffällig die Treppe hinauf zum Topaz Pool, wo Frankie und Olive in der Sonne lagen. Roz war rechtzeitig bei ihnen, um zu hören, wie Ven den anderen von dem Interview erzählte, das sie Andrew für die nächste Ausgabe der Firmenzeitschrift gegeben hatte. Doch Roz sagte nichts. Vorerst nicht.
69. Kapitel
David hängte die drei Kleider über den verspiegelten Schrank in seinem und Olives neuem Schlafzimmer – dem alten Schlafzimmer seiner Mutter. Er hatte die Kleider in der Lamb Street schneidern lassen, und das war wahrlich nicht billig gewesen. Er musste sogar noch einiges drauflegen, damit sie besonders schnell fertig wurden. Die Maße hatte er von einem Winterkleid in Olives Schrank genommen, also mussten die Sachen passen. Das Grüne fand sie sicher besonders gut, denn Grün stand ihr. Es betonte ihre Augenfarbe. David warmächtig stolz auf sich, ja, das war echt sehr romantisch von ihm. Olive würde hin und weg sein.
Sogar das Haus war picobello sauber. David hatte in den Gelben Seiten eine Putzfrau gefunden, Dolly Braithwaite, die kurzfristig kommen konnte. Sie hatte unten alles geputzt und die Laken auf dem alten Bett von Doreen gewechselt. Dolly roch nach Zigaretten und starkem Kaffee, und sie störte sich nicht die Bohne an den überquellenden Aschenbechern in der Küche. Bei der Arbeit hatte sie selbst dauernd eine Benson & Hedges zwischen den Lippen gehabt.
Bis Olive kam, waren es noch ungefähr achtundvierzig Stunden. David konnte es gar nicht erwarten, ihr von allem zu erzählen, was die letzten zwei Wochen passiert war. Hatte sie erst gehört, wie ihr neues Leben aussah, würde sie den Boden anbeten, auf dem er wandelte. David Hardcastle war nicht mehr so aufgeregt gewesen, seit der neue Imbiss um die Ecke eröffnet hatte.
70. Kapitel
Olive machte eine kurze Sonnenpause und ging sich die Beine drinnen im Schiff vertreten. Sie beobachtete ein Paar, das sich gerade auf dem Schiff trauen ließ und nun für Fotos auf der Prunktreppe posierte. Sie erkannte die Leute wieder. Auch sie waren mit dem Bus aus Barnsley gekommen. Die Braut war groß, schlank, in den Fünfzigern. Sie hatte wunderschönes dichtes weißes Haar und trug ein schlichtes ärmelloses Seidenkleid in einem Elfenbeinton. Ihr Brautstrauß war vom selben leuchtenden Gelb wie die Blume im Knopfloch des strahlenden Bräutigams, und auch das Kleid der Brautjungfer im Fünfzigerjahre-Stil war sonnengelb. Die Brautjungfer hatte die gleichen blitzenden Augen wie der Bräutigam, was nahelegte, dass sie eng verwandt waren. Zur Reisegruppe gehörten außerdem zwei jüngere Paare – ein Schwarzer mit Frau und kleinem Sohn, und zwei Männer in aufeinander abgestimmten grauen Anzügen mit gelben Krawatten. Es war nicht zu übersehen, dass sie alle sich sehr mochten.
Olive schlenderte eine Weile durch die Ladenzeile, sah sich die Duty-Free-Waren an und ging nach oben zur Galerie, wo die Fotos ausgestellt waren. Sie hörte Kinderlärm aus dem Flamenco und spähte hinein. Dort begann gerade ein Kostümwettbewerb. Die Kinderkostüme sahen selbstgemacht aus. Ein kleines Mädchen schrie und zappelte wild, als seine Mutter versuchte, es in einen Hula-Hula-Rock aus Krepppapier zu tackern.
»Chloe«, stöhnte die Mutter erschöpft, »ich habe Stunden für dieses Kostüm gebraucht. Bitte, zieh es an.« Aber Chloe wollte nicht.
»Kinder!« Die Mutter blickte zu Olive und verdrehte die Augen. »Ich bin im Morgengrauen aufgestanden, um ihr das Kostüm zu basteln, und als ich ankam, war trotzdem schon das meiste gute Material weg.« Sie deutete mit dem Kopf nach links, wo die Fressler-Zwillinge mit einem kleinen Jungen standen, der komplett in einem Pappkarton-Leuchtturm steckte. Sein Gesicht war grellorange geschminkt und sollte die Lampe darstellen, und um seine Füße schlängelten sich mindestens einen Meter lange Wellenstreifen in blauem, grünem und weißem Krepp – das Meer. In diesem einen Kostüm steckteein ganzer Regenwald an Papier. Anscheinend fanden die Fressler-Zwillinge, dass ihnen von allem und jedem grundsätzlich die größte Portion zustand.
Olive schlich sich ins Theater und nahm auf einem der hintersten Stühle Platz. Sie hatte ein bisschen Angst, dass man sie rauswarf, falls jemand merkte, dass sie kein Kind im Wettbewerb hatte. Dann aber entdeckte sie Eric und Irene
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