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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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…«
    »Feinkörnig?«, schlug ich vor.
    Mark blinzelte. »Feinkörnig«, wiederholte er langsam und runzelte dabei die Stirn. »Das war dieses bescheuerte Wort, das ich letztes Jahr andauernd gesagt habe, richtig?«
    Ich nickte. »Ist da was draus geworden?«
    Er zuckte die Schultern, weiterhin klatschend. »Eher nicht, denke ich. Aber, um ehrlich zu sein – es ist mir inzwischen auch egal.«
    Tatsächlich war etwas daraus geworden – die Anzahl derSuchmaschinentreffer für den Begriff hatte sich in Jahresfrist mehr als verdoppelt. Vielleicht würde ich das Mark irgendwann während der nächsten zehn Tage mitteilen.

    Wir feierten die Premiere an Bord der Nuthe , wobei es uns anderen selten gelang, den Redefluss des völlig überdrehten Hauptdarstellers zu unterbrechen – wir schafften es nur, wenn er sich eine Zigarette anzündete, was gefühlt deutlich seltener geschah als noch vor einem Jahr, etwa im Drei- statt im Zweiminutentakt, also immerhin dreißig Prozent weniger. Nicht nur Simons Zähne waren renoviert, er wirkte insgesamt gesünder und frischer als vor elfeinhalb Monaten, und wenn er nicht gerade plapperte, knuddelte er endverliebt mit Karola. Tatsächlich hatte ich ihn seit der ersten Fahrt nicht mehr gesehen; wir hatten uns ein paar Mails geschrieben und einige Male telefoniert, aber Job und Käfer ließen einfach nicht zu, dass ich die Reise nach Priepert antrat, und Simon hatte im Hafen alle Hände voll zu tun, wenn er nicht, wovon er während der Telefonate aber nichts erzählt hatte, mit seiner »Truppe« probte, wie er die talentlosen Kollegen grinsend nannte. Die Leistung seiner Mitschauspieler kategorisierte er leidenschaftslos und präzise, er machte sich auch keine Illusionen bezüglich möglicher Erfolge des Stücks, aber im Premierenpublikum, verriet er flüsternd, hätten »ein, zwei wichtige Leute« gesessen. Diese Redewendung kannte ich aus der Verlagsbranche zur Genüge.
    Simon und Karola verschwanden, um sich voneinander zu verabschieden, wie sie das nannten, aber Simon wollte in jedem Fall die Nacht an Bord verbringen. Das gab mir Gelegenheit für die kleine Überraschung, die ich im Gepäck hatte. Ich turnte unter Deck und kam mit dem Leseexemplar von »Glauben ohne Götter« zurück, Hardcover, 450 Seiten, Meggs & Pollend , kommendes Herbstprogramm – der schnellste Titel, den ich je gemacht hatte. Henner hatte ganze drei Wochen für dieRohfassung benötigt, während Konzept und Leseprobe alle im Haus begeisterten, von der Programmkonferenz bis zu den Vertretern. Es war längst nicht das erste Buch über gottlos-spirituelle Ethik, aber vielleicht das persönlichste und ganz davon abgesehen eines, das auf Dogmatismus, Arroganz und dieses beschissene »Ich habe die Weisheit mit kontinentgroßen Schaufeln gefressen«-Getue verzichtete. Henner sparte sämtliche Seitenhiebe aus, obwohl sie sich anboten, oft sogar aufdrängten, und pickte einfach sehr präzise die Erbsen heraus, deutete die Demontage nur an, geizte aber mit Axiomen. Die Schlussfolgerungen überließ er komplett dem Leser; das Buch war ein Angebot, eine offene Fragestellung und vielleicht gerade deshalb so überzeugend. Ich liebte es, und zwar keineswegs nur, weil es von Henner stammte. Es war schlicht ein gutes Buch, und Henner hatte echtes Talent. Gestählt von Jahrzehnten auf der Kanzel, wusste er einfach, wo man anpacken musste, um in eine Richtung zu schieben, ohne das Ziel vorzugeben, und mit dem druckfrischen Titel überreichte ich ihm eine Rezension, die ein honoriger Theologe verfasst hatte, der »Glauben ohne Götter« zwar inhaltlich energisch ablehnte, aber Henner zugleich attestierte, einen Standpunkt formuliert zu haben, der wenige Widersprüche zuließ. Diese Rezension würde unsere Marketingkampagne begleiten. Leider wäre ich käferbedingt nicht dazu in der Lage, Henners Lesereise zu folgen, aber ich freute mich trotzdem darauf.
    »Hier«, sagte ich und überreichte ihm das Buch. Ich hoffte, dass meine Mimik ausdrückte, was ich dabei empfand, denn wirklich passende Worte fand ich nicht.
    Er nahm den Ziegel und legte ihn vorsichtig auf den Plastiktisch. Dann sah er mich an und murmelte sehr gerührt: »Danke.« Und, nach einer kurzen Pause: »Aber bevor ich mich damit auseinandersetze, muss ich das hier tun.« Er streifte das Shirt über den Kopf, stieg aus den Cargohosen, unter denen er dunkelblaue Badeshorts trug, kletterte in Richtung Bug undsprang dann relativ unbeholfen, aber ohne zu zögern, ins

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