Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
zu geben. Bevor wir entscheiden konnten, wie es weitergehen sollte, kam Mark in der Badehose aufs Deck gerannt, schrie »Heureka!« und sprang an uns vorbei mit einer satten Arschbombe ins Wasser. Kurz darauf tauchte er wieder auf, grunzte »Buaah!« und anschließend: »Ist! Das! Geil!«
»Man sollte nicht in unbekannte Gewässer springen«, sagte Henner leise, aber mit einem Unterton, der alles andere als oberlehrerhaft war, eher etwas neidgeschwängert. Ich zog mein Shirt aus und sprang Mark hinterher. Er hatte absolut recht. Es war geil. Der Pfarrer blieb an Bord und sah uns beim Schwimmen zu.Als wir, längst wieder trocken und gut aufgewärmt, mit weiteren Bieren und einer Schachtel BiFi auf dem ausladenden Vorschiff saßen und der gemächlich untergehenden Sonne zusahen – die Uhr zeigte kurz vor neun –, klingelte Marks Telefon. Er ging ran, sagte erst »Hallo«, dann einige Sekunden lang nichts, schließlich »Okay«. Anschließend beendete er die Verbindung.
»Simon macht sich jetzt auf den Weg. Er ist in einer Dreiviertelstunde in Steinförde.«
»Gut«, sagte ich.
»Bis dahin ist die Sonne untergegangen«, sagte Henner, der bis zu diesem Zeitpunkt geschwiegen hatte.
»Das ist ein Argument«, meinte Mark. Und: »Feinkörnig.«
»Wir dürfen nicht im Dunkeln fahren«, ergänzte der Pfarrer. »Wir haben kein Radar, Echolot und auch sonst nichts. Nur diesen Suchscheinwerfer.« Er zeigte nach hinten.
»Suchscheinwerfer? Wir haben einen Suchscheinwerfer?«, krähte Mark. »Wie geil ist das denn?« Er sprang auf und turnte ins Boot. Kurz darauf gingen erst die Scheibenwischer und dann mehrere Lampen an und aus: bunte Lichter seitlich am Boot, eine Leuchte auf dem Dach, schließlich der Scheinwerfer, der vor dem Steuerstand an der Dachkante hing.
»Sieht man was?«
Ich nickte. »Aber besonders hell ist das nicht.«
Mark operierte mit dem Scheinwerfer herum, den man bei geöffnetem Fenster von innen an einem Griff schwenken konnte. Schließlich zeigte er zur Seite.
»Vielleicht wirkt das nur im Dunkeln«, orakelte er.
»Das werden wir wohl herausfinden müssen«, sagte Henner, dem anzusehen war, dass er den Gedanken nicht so toll fand, im Stockdusteren das Boot zu steuern.
»Wir sollten jetzt gleich zum Anleger fahren«, schlug ich vor. »Dann haben wir nur eine Strecke ohne Sonne.«
»Kluge Idee«, rief Mark und warf den Motor an. Hennerschaffte es tatsächlich, mit viel Hebelei den ziemlich verschlammten Anker zu bergen. Anschließend wurde das dritte Shirt des Tages fällig. Die anderen beiden hingen an der seitlichen Reling – er hatte sogar an Wäscheklammern gedacht.
Es dämmerte, während wir die Havel flussabwärts in Richtung Steinförde befuhren. Verkehr gab es nicht mehr, dafür traten die Moskitos ihr spätes Tagwerk an. Nach ein paar Minuten schlossen wir das Dach und kurz darauf auch die Frontfenster, bis wir – wieder ein paar Minuten später – bemerkten, dass die großen Hecktüren und einige Fenster unter Deck noch offen waren. Fliegengitter existierten nicht, und an Insektenspray oder Autan hatte keiner von uns gedacht. Während ich die Dahme ins zunehmende Dunkel steuerte, kämpften Mark und Henner weitgehend erfolglos gegen die einfallenden Mückenhorden an. Als die Straßenbrücke in Sicht kam, hatte ich mindestens ein Dutzend Stiche eingesammelt, aber bei mir juckten die kaum, wofür ich in diesem Augenblick wieder einmal sehr dankbar war. Henner fluchte laut und murmelte etwas von einer Allergie.
»Wir sollten umdrehen und gegen die Strömung anlegen«, meinte Mark, wofür ich ihm ehrfürchtig zunickte. Das Ufer war kaum noch zu sehen, die Wasseroberfläche war dunkel. Auf der Wiese, die sich neben dem Anleger befand, flackerte ein Lagerfeuer, um das einige Leute standen und saßen. Ich fixierte dieses Licht, stoppte auf und versuchte, mich an das Auf-der-Stelle-drehen-Manöver zu erinnern. Einschlagen und abwechselnd vor- und rückwärts Gas geben. Nur – in welche Richtung einschlagen? Ich wählte links, absolvierte das wechselnde Gasgeben zweimal, dann rumste es.
»Brückenpfeiler rückwärts voraus«, verkündete Mark etwas zu spät. Immerhin hatte es nicht sehr stark gerumst, und die Dahme besaß rundum einen Gummidämpfer, wie beim Autoscooter. Ich visierte wieder das Lagerfeuer halbrechts vor uns an und gab vorsichtig Gas. Kurz darauf lagen wir offenbarparallel zur Anlegestelle, aber ich hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, wie weit weg.
»Seid ihr vollkommen
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