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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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überqueren«, sagte er schließlich. »Und zwar alle . Aber es gibt keine Westenpflicht für Nichtschwimmer. Es gibt auch keine Pflicht, den Nachweis für das Seepferdchen mit sich zu führen. Der Mann hat uns verarscht.«
    »Weil er konnte«, sagte Mark.
    »Der Schiffsführer trägt die Verantwortung für die Besatzung und muss ihre Sicherheit gewährleisten«, fuhr Henner unbeirrt fort. Ich war kurz davor, vor ihm zu salutieren. »Der Schiffsführer bin ich . Und ich schaffe es auch ohne verdammte Rettungsweste, für meine Sicherheit zu sorgen. So .«
    Er ging zum Kühlschrank, zog ein Bier heraus, öffnete es mit einem von Simons Feuerzeugen, die inzwischen überall herumlagen, und leerte die Flasche in einem Zug. »Jetzt«,sagte er dann, rülpste leise, aber vernehmlich und sah sich nach Simon um, der am Tisch saß und fröhlich lächelte, »hätte ich verdammt gerne eine verdammte Zigarette.« Simon reichte die soeben angezündete Fluppe, die Henner ergriff, mit großer Selbstverständlichkeit in den Mund steckte und von der er anschließend einen langen Zug nahm, um schließlich abermals zu erklären: »Verdammt.« Das wiederholte er noch zweimal, dann ging er nach hinten und setzte sich auf die Terrasse, die nackten Füße auf der Reling ablegend. Wir anderen sahen uns nacheinander an, verblüfft und amüsiert. Simon sagte schließlich das richtige Wort: »Wow.«

    Während der folgenden knappen Stunde befuhren wir ein sechs Kilometer langes Stück Havel, das eine ziemlich abwechslungsreiche Kulisse bot. Mal wurde es recht dunkel, weil die hohen Bäume bis dicht ans Ufer des Flusses standen und die Sonne nur als Widerschein in den grünen Wipfeln zu erkennen war, dann öffnete sich der Fluss wieder, gab den Blick auf Wiesen und Felder frei. Wir passierten eine Art Kleingartenkolonie, an deren Strand Kinder tobten und über der sich die Qualmfahnen der Grills abzeichneten, außerdem einen Campingplatz und einen Wasserwanderplatz, an dem aber nicht, wie ich kurz hoffte, Dutzende rote Kanus befestigt waren. Ich stand am Steuer und fühlte mich dabei zusehends sicher, Henner lag neben dem Fahrrad und las, weiterhin lediglich mit Badehose bekleidet, nur ein Tuch um den Kopf verknotet, um die Halbglatze vor Sonnenbrand zu schützen, Mark hatte sich in seiner Koje aufs Ohr gelegt, und Simon saß, die Gewässerkarte studierend, hinter mir, wobei er natürlich pausenlos rauchte und hin und wieder einen Blick auf die drei wichtigen Telefone warf, die auf dem Tisch lagen. Er hatte das Radio eingeschaltet, immerhin hatte ich verhindern können, dass er abermals seinen MP3-Player anschloss und uns mit Idiotenmucke beschallte, aber es fühlte sich fürmich unrichtig an, durch diese Landschaft zu gleiten und dabei Lady Gaga, DJ Bobo oder selten dämliche Anmoderationen zu hören. Simon aber summte leise, offensichtlich sogar unbewusst mit, während – glücklicherweise nicht sehr laut – Songs liefen, die mich daheim zum Verlassen einer Kneipe bewegt hätten. Sicher, Simon schleppte wahrscheinlich unentwegt ein Radio mit sich herum, als Kontakt zur Außenwelt, wenn er allein Räume tapezierte, Rigipswände aufstellte oder Anstriche erneuerte. Ich musterte ihn verstohlen, wie er das komplizierte Strickmuster der großformatigen Gewässerkarte zu enträtseln versuchte.
    Schließlich nahm die Bebauung beiderseits des Ufers zu, wir erreichten ein dichter bewohntes Gebiet, und nach einer Folge von Kurven tauchte ein großes, seltsames Metallbauwerk mitten im Fluss auf, am Ende eines mehrere hundert Meter langen, geraden Stücks: die Schleuse Bredereiche. An den Ufern gab es vermehrt Anlegemöglichkeiten, diverse Restaurants warben mit skurrilen Schildern um Kundschaft. Ich sah auf die Uhr – kurz vor vier, aber die Sonne stand noch hoch.
    »Schleuse voraus«, sagte ich laut. Simon stand auf und kam zu mir, Henner legte sein Buch zur Seite. Die Wartestelle bot Platz für viele Schiffe, aber dort lag nur eine hohe, ziemlich beeindruckende Motorjacht, von der aus drei oder vier Angeln nach links ausgelegt waren und deren Heck ich anpeilte, um dahinter festzumachen. Henner setzte sich auf die Reling am Bug, mit seinen Muttermalen und dem Kopftuch eine lächerliche und zugleich würdevolle, massige Figur, Simon ging nach achtern – Ha! – auf die Terrasse und griff nach der Leine. Aufstoppen, der Bug der Dahme zog dadurch etwas nach rechts, was ich einkalkuliert hatte, denn mit dem Anhalten berührte er sanft einen der

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