Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
diese dienstägliche Runde, die vor fast zwei Jahren über einen Aushang im Sportzentrum zusammengefunden hatte, durchaus Spaß. Und es war Sport. Nicht Rudern, Marathonlauf oder Boxen, aber auch nicht Billard, Schach oder Skat. Ein schöner Kompromiss. Es hätte auch Kanupolo oder Full-Contact-Karate werden können, aber als mir Cora im Rahmen ihrer Bemühungen, mich zu etwas mehr Bewegung zu bringen, diesen Zettel mitbrachte, über den Henner Mitspieler suchte, stand meine Entscheidung ziemlich schnell fest.
Nach anderthalb Stunden schlurften wir, unterschiedlich abgekämpft, in die Umkleide (Simon: völlig am Ende; Henner: ausgepowert und genervt, weil er ausschließlich verloren hatte, wofür er alles Mögliche verantwortlich machte, nur nicht sich selbst; ich: geschafft, aber seltsam glücklich; Mark: kaum anzumerken, dass er Sport betrieben hatte), wo das übliche Prozedere einsetzte: Während Mark einen fröhlichen Exhibitionismus auslebte und uns seinen nackten Körper intensiver präsentierte als nötig gewesen wäre, versteckte sich Henner faktisch, wartete auch den Duschgang der anderen ab, wobei er sich auf dem Weg in die Dusche in ein riesiges,knallgelbes Badetuch wickelte, um möglichst wenig Haut zu zeigen – ein leuchtender Baumstamm, der in die Sanitäranlagen torkelte. Simon und ich vollzogen das Ganze sehr pragmatisch und waren deshalb auch die Ersten draußen – Simon vor allem, um endlich wieder an einer Fluppe saugen zu können.
Beim fünften Zug sagte er: »Ich habe heute Geburtstag.«
»Glückwunsch«, antwortete ich automatisch und griff nach seiner linken Hand, die trotz Dusche irgendwie verklebt war. »Und welcher?«
»Fünfzig.«
»Nein!«, platzte ich heraus. Das war ganz ehrlich gemeint. Simon hatte etwas Altersloses, aber nicht wie Mark, der sich einfach gut gehalten hatte (oder tatsächlich noch ziemlich jung war), es war mehr, als hätte er irgendwann aufgehört, äußerlich zu altern, um dafür aber innen drin zu verrotten, beispielsweise im Kieferbereich. »Kaum zu glauben. Ich hätte dich viel jünger geschätzt.«
»Tapetenkleister konserviert«, sagte er lakonisch.
»Feierst du?«
Simon sah mich an, ein Blick, der mir beinahe die Füße wegriss. Mit wem?, fragte dieser Blick. Ich habe niemanden, sagte er.
»Ich wollte vorschlagen, dass ihr mitkommt, in mein Stammrestaurant, das ist nicht weit von hier. Und ich gebe euch einen aus.« Dabei zog er die Stirn kraus; vermutlich schätzte er sein Budget ab.
»Simon gibt einen aus?«, freute sich Mark, der sich soeben zu uns gesellt hatte und sich mit dem Rücken seines rechten Zeigefingers unterhalb der Nase herumrieb. »Feinkörnig! Party! «
»Wann ist eine Party?«, fragte Henner, das schüttere Haar noch feucht, ansonsten sah er wie aus dem Ei gepellt aus, vom Anstrengungs-Nachschweiß, der seine Stirn und Schläfen benetzte, mal abgesehen.
»Jetzt gleich«, sagte Simon relativ leise und steckte eine Neue an. »Wenn ihr wollt. Aber ihr müsst nicht.«
»Simon wird heute fünfzig«, erklärte ich. Das war schon ein bisschen erschütternd, es auf diese Art erfahren zu haben, und es stand außer Frage, dass wir mit ihm würden feiern müssen . Henner wehrte sich kurz, willigte dann aber ein. Drei von uns müssten zwar morgen arbeiten, aber zu diesem Zeitpunkt hofften wir auch noch, dass es mit einer Fuhre Gyros und ein, zwei Ouzo erledigt wäre.
Die Taverna Spyros wurde von drei Männern dieses Namens betrieben: Spyros, dem Vater, Spyros, dem Sohn dieses Vaters, und Spyros, dem Neffen von Spyros, dem Vater. Der Laden entsprach jedem Klischee, roch nach verbranntem Lammfleisch, Knoblauch und billigem Wein, an den Wänden hingen Reproduktionen von Landschaftsbildern, Fotos von bunten Dorfhäusern, ein paar Kruzifixe und Landkarten vom Peloponnes. Auf die Brauerei-Einheitsspeisekarten war eine stilisierte Akropolis gedruckt. Es gab zig Variationen von Gyros, Souflaki und all diesem Zeug und dazu Ouzo, hektoliterweise. Wir saßen kaum am Tisch, da standen die ersten Schnapsgläser vor uns, und Spyros (der Neffe) brachte gleich vier weitere mit den Speisekarten. Spyros (der Sohn) fügte eine Ladung hinzu, als er die Getränkebestellungen aufnahm.
Wir waren vor dem ersten Bissen tendenzhacke, bis auf Henner, der an einem Schnaps nippte und die inzwischen vier weiteren nur misstrauisch ansah. Simon unterbrach seine Erzählung davon, wie er am Wochenende mit seinem Bulli (natürlich ein Täubchen ) und einem alten Wohnwagen
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