Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
Vom Netzwerk:
auf das Grundstück einer neuen Kundin umgezogen war, um dort die Monate auszuharren, bis er wieder von seinen Gläubigern gefunden oder der Kundin vertrieben wurde. Dann hieb er Henner mit seiner schwieligen Rechten auf die Schulter und sagte: »Alter Pfarrer, das ist mein Geburtstag. Trink!«
    »Ich muss noch Auto fahren.«
    »Musst du?«, fragte Mark grinsend. »Will Gott das?«
    Henner verzog das Gesicht. »Du weißt nichts von Gott«, sagte er mürrisch. In letzter Zeit reagierte er häufig so, wenn jemand Glauben thematisierte, was während der Sportrunden aber selten geschah.
    »Doch«, behauptete Mark. »Er ist in diesem Glas. Genau in diesem.« Und damit kippte er den letzten Ouzo, der vor ihm stand. »Und jetzt ist er in mir. Feinkörnig.«
    »Komm, sei ein bisschen entspannt«, bat Simon lächelnd, wobei er seinen Unterkiefer entblößte – und mir einiges vom Appetit auf das Gyros nahm, der ohnehin nur gering war.
    Ich hob mein vorletztes Glas und prostete Jan-Hendrik zu. Er nickte langsam und trank dann.
    Eine Stunde später waren wir nicht mehr nur tendenzhacke, sondern tendenziell komplett durch – und sehr fröhlich, erstaunlicherweise; meinerseits hatte es nur einen kurzen, sehr vorübergehenden Anflug der Saufmelancholie gegeben, ungefähr nach dem dritten Ouzo. Wir quatschten, bereits lallend, über Badminton, wobei Henners Diagnose, wir anderen hätten nur Glück, viel Gelächter provozierte, sehr kurz über Autos, dann über Frauen, wobei sich Henner zurückhielt, über unsere Jobs – hier schwieg Mark –, Musik, Fernsehen, Tagespolitik und tausend andere Dinge. Dann kamen wir auf Urlaub zu sprechen, weil der Sommer vor der Tür stand. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass wir allesamt noch nichts vorhatten. Henners Frau war in Afrika unterwegs, die Kinder wären in Feriencamps. Cora wäre auf Tour, was längst nicht der einzige Grund dafür war, dass wir keinen Sommerurlaub geplant hatten – der kurze Gedanke an das Erlebnis vor vier Tagen schmerzte. Simons Beziehungslosigkeit war immanent, und eigentlich machte er nie Urlaub – vor allem, weil er sich das schlicht nicht leisten konnte. Mark plante derlei einfach nicht. Meistens reiste er mit irgendeinem Kumpelkurzfristig irgendwo hin, aber für diesen Sommer hatte sich noch nichts ergeben. Mit Frauen fuhr er nicht in die Ferien, weil das zu kompliziert war – dafür waren seine Verhältnisse zu kurzlebig.
    »Ein Kunde« – hier hüstelte er kurz – »hat ein großes Boot, da machen sie jedes Jahr Ferien drauf«, erzählte Simon. »Das muss toll sein.«
    Henner nickte, sein Kopf schlenkerte leicht. »In Meck-Pomm kann man große Hausboote mieten, führerscheinfrei. Das hat ein befreundeter Gemeindepfarrer im letzten Jahr gemacht und war total begeistert.«
    »Boot fahren. Feinkörnig«, nuschelte Mark und leckte ein leeres Ouzo-Glas aus. »Muss lustig sein.«
    »Das ist wie Wohnmobil, nur auf dem Wasser«, sagte der Pfarrer. »Mit allem Drum und Dran, Kühlschrank und Herd und so.« Dann zog er sein Tablet hervor und wischte eine Weile darauf herum.
    »Hier«, sagte er schließlich und zeigte ein Foto. »Für bis zu zwölf Leute. Mit allem Komfort.«
    »Feinkörnig«, wiederholte Mark und winkte nach irgendeinem Spyros. Sekunden später stand eine weitere Phalanx Ouzo auf dem Tisch. »Der gutte, nur für gutte Freunde«, blödelte Spyros (der Sohn), der in Deutschland geboren war und die Sprache akzentfrei beherrschte, sie aber trotzdem im Restaurant mit Akzent sprach. Dabei grinste er wie ein Rumäne, der mit seiner Drogenbande soeben Neukölln übernommen hatte.
    »Hier ist ein Last-Minute-Angebot. Zwölfhundert Euro für zehn Tage. Ein großes Boot mit vier Kabinen. Mitten im Juli. Das wären nur dreihundert für jeden.«
    »Feinkörnig«, flötete Mark in sein Ouzo-Glas und winkte wieder.
    »Das sollten wir machen«, erklärte Simon und zündete zu den zweien, die vor ihm im Ascher brannten, eine weitereZigarette an. Sypros (welcher auch immer) nahm es mit dem Rauchverbot in Restaurants nicht so genau. Und seine Gäste nahmen es ähnlich gelassen. Außerdem waren sie allesamt mit dem »gutten« Ouzo narkotisiert. Die Taverna Spyros hatte wahrscheinlich noch niemand nüchtern verlassen, und den Laden gab es, der Ausstattung nach zu urteilen, seit mindestens dreißig Jahren. Jedenfalls war in dieser Zeit noch nie renoviert worden.
    Henner starrte einen Moment lang melancholisch an die Decke. Ich war auch dicht am Totalstrunz,

Weitere Kostenlose Bücher