Leiden sollst du
aufpassen, dass es ihm nicht genauso geht, und Maik versucht sich mit Kokain im Koffer ins Ausland abzusetzen.“
„Wie bitte?“ Marie traute ihren Ohren kaum.
„Er wurde am Köln-Bonner Flughafen festgenommen und behauptet, nichts von dem Koks zu wissen. Alles abzustreiten ist ziemlich dämlich, wenn das Teufelszeug im eigenen Gepäck gefunden wird, nicht wahr?“
Seltsamerweise musste Marie an ihren Onkel Hajo denken. Er beharrte darauf, keine Affäre zu haben und nicht zu wissen, woher der Damenslip in seiner Wäsche stammte. Aber das musste ein Zufall sein. Die meisten Menschen, die bei etwas erwischt wurden, stritten erst einmal ab. Dennoch ging ihr der Gedanke nicht aus dem Kopf. „Wie kam er an das Rauschgift?“
„Er kifft ja auch.“
„Das ist aber eine andere Hausnummer. Konsumiert er selbst?“
„Das weiß ich nicht. Ich hatte bei ihm zu Hause angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass Denis in der Klinik des Landschaftsverbands Rheinland liegt, dabei erzählte mir der Vater das nur kurz. Mehr weiß ich nicht.“
Während sie mit dem Fahrstuhl auf die Etage fuhren, in der sich die Station 15 befand, schwiegen sie. Marie erfasste eine Unruhe, die sie nicht mehr abstreifen konnte. Lag es daran, dass zu viel in zu kurzer Zeit passierte?
Abgesehen von den Querelen mit ihren Eltern war die Welt bis vor einem Jahr noch in Ordnung gewesen. Die Mannteufels waren eine intakte Familie und Ben, Maik und Denis genossen ihr letztes Jahr als Schüler, bevor das Arbeitsleben oder ein Studium einen Großteil ihrer Zeit in Anspruch nehmen würde.
Plötzlich verstarb Julia, Daniel hatte einen Unfall, der sein Leben veränderte, GeoGod stalkte Benjamin, sein Vater ging fremd, Denis kiffte sich in eine Psychose, seine Schwester war schwer verletzt und Maik versuchte mit Kokain im Koffer auszureisen, als hätte er nicht mehr Grips als ein Einzeller. Vor wem oder was hatte er versucht, davonzulaufen?
Was passiert hier? , fragte sich Marie. Unglücke geschahen, aber nicht in solch einer geballten Form. Zu viel Kummer, zu viel Leid auf einmal, das machte sie stutzig. Sie wusste, sie würde nicht eher Ruhe finden, bevor sie nicht mit Maiks Eltern gesprochen hatte.
Sie bot Benjamin an, ihn zu den Hagedorns zu fahren, damit er ihnen ihre Hilfe anbieten konnte, aber er weigerte sich. Er wollte Maik nicht in der Untersuchungshaft besuchen, nicht einmal einen Brief schreiben. Es erweckte den Anschein, als würde Ben ihn meiden. Frau Buschhütter hatte recht, die Freundschaft der drei zerfiel. Noch etwas, das Marie der Liste der Tragödien dieses Jahres hinzufügte.
Also brachte sie Ben in die Südstadt und fuhr alleine zu den Hagedorns nach Fühlingen. Sie wohnten in einem Reihenhaus in der Nähe des Naherholungsgebietes Fühlinger See, mit Herbstanemonen in den Blumenkästen, die genauso weiß waren wie die Spitzenhalbgardinen an den Fenstern. Der Putz schien frisch eierschalenfarben gestrichen worden zu sein. Im Vorgarten stand eine kleine Holzschubkarre, in die rosa Herbstastern gepflanzt waren.
Marie parkte am Straßenrand und lief durch den Regen zur Tür, an der ein Holzschild mit dem Namen der Familie im Wind baumelte. Sie klingelte.
Ein Mann öffnete. Sein Teint war gräulich, sodass sich Marie fragte, ob er krank war. Er hatte eins dieser Gesichter, die man nicht wiedererkannte. Normaler Haarschnitt, unauffällige Nase, kleiner Mund.
Herr Hagedorn schob seine Brille zur Nasenwurzel hoch. „Ja, bitte?“
„Marie Zucker.“ Höflich reichte sie ihm die Hand. „Ich bin die Cousine von Benjamin Mannteufel. Er wäre gerne mitgekommen, aber der Besuch bei Denis vorhin im Krankenhaus hat ihn zu sehr mitgenommen.“
„Hab ich gehört. Schrecklich!“ Herr Hagedorn trug ein blau-grün kariertes Hemd, das bis auf den letzten Knopf geschlossen war.
Bei dem Anblick schnürte sich Maries Hals zu. „Deshalb konnte er leider nicht kommen, noch nicht, aber er schickt mich, um sie zu fragen, ob er etwas für Maik tun kann.“
„Beten.“
Marie runzelte ihre Stirn.
Er winkte ab, als hätte er einen schlechten Scherz gemacht. „Nicht einmal das wird ihm helfen. Was hat sich der Junge nur dabei gedacht?“
Da er heraustrat und sich verschwörerisch umsah, als befürchtete er, einer der Nachbarn könnte sie hören, nutzte Marie die Chance, um sich Eintritt zu verschaffen. „Darf ich vielleicht reinkommen?“
„Aber sicher doch. Wie unhöflich von mir.“ Einladend öffnete er weit die Tür.
Marie putzte ihre
Weitere Kostenlose Bücher