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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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sagte Irene belehrend. „Beruflich ist er am Ende. Er wird nie wieder bei der Polizei arbeiten können. Was soll also aus ihm werden? Ein Sozialfall, den du durchfüttern musst.“
    Rainer trank sein Glas leer und stellte es laut hin. „Die sieben Jahre Altersunterschied haben mich schon immer gestört.“
    Nicht, wenn ich einen Managerposten hätte oder aus einer reichen Familie stammte , dachte Daniel. Warum regte er sich eigentlich innerlich so auf? Er wusste doch längst, dass seine Schwiegereltern ihn nicht als gut genug für ihre Tochter betrachteten. Vielleicht weil er es das erste Mal mit klaren Worten aus ihrem Mund hörte? Das kam hin.
    „Er kann keine Kinder mehr zeugen und dich nicht einmal im Bett befriedigen.“ Gereizt nippte Irene an ihrem Champagner. „Welche gesunde Frau will sich schon an einen Mann wie ihn binden?“
    Marie schnappte nach Luft. Schließlich sprang sie zornig von ihrem Stuhl auf. „Es reicht. Noch ein Ton und ich gehe.“
    „Setz dich wieder“, befahl Rainer Bast in einem Ton, den seine Angestellten bestimmt öfter zu hören bekamen. „Nur Proletarier machen Szenen an öffentlichen Orten.“
    Marie beugte sich vor und stützte sich mit ihren Händen auf dem Tisch ab. „Ich gehöre zum Proletariat und fühle mich sauwohl dabei.“
    „Diese Wortwahl.“ Irene schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Die hat von Daniel abgefärbt.“
    Wutschnaubend schritt Marie um die Stellwand herum, bemerkte Daniel und blieb erschrocken vor seinem Rollstuhl stehen. Ihre Augen weiteten sich entsetzt, da ihr wohl bewusst wurde, dass er das Streitgespräch mitbekommen hatte.
    Daniel war elend zumute! Sein mühsam zurückgewonnenes Selbstbewusstsein schmolz. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle in Luft aufgelöst. Stattdessen blickte er sie kummervoll an und saß auf seinem Bock wie ein gebrochener Mann, ganz der hilflose Krüppel, den ihre Eltern in ihm sahen.
    Wenn es mal rundläuft, kotzt das Leben einem doch wieder ins Essen , dachte er und zog rasch den Handschuh über, bevor ihr die Tätowierung auffiel. Vielleicht war das Tattoo eine Scheißidee gewesen, denn ihre Ehekrise war noch nicht überstanden. Wie auch immer, der Liebesbeweis kam auf jeden Fall zu früh.
    Die Basts stellten sich neben Marie und erröteten zu seiner Überraschung verlegen. Vollkommen abgebrüht waren sie also doch nicht.
    Daniel erwog kurz, sie mit seinem Chopper über den Haufen zu fahren, ließ es jedoch bleiben. Einzig die Tatsache, dass sie sein größtes Geheimnis nicht kannten, heiterte ihn auf eine groteske Weise auf.
    Wenn sie wüssten, dass er als Teenager um ein Haar seinen eigenen Vater getötet hatte, würden sie alle legalen und vermutlich, so schätzte er Rainer ein, auch illegalen Hebel in Bewegung setzen, um ihn von Marie fernzuhalten.
     

24
     
    „Wo ist Daniel denn heute Nachmittag?“ Ben trat vor ihr in den Aufzug der LVR-Klinik Köln. Lässig lehnte er sich an die Wand, als würde es ihm nichts ausmachen, in eine Psychiatrie hineinzugehen, aber Marie bemerkte das stete Zucken seines Augenlids.
    Sie folgte ihm in die Kabine. „Auf dem Polizeipräsidium. Probearbeiten im KK 32. Beamten- und Korruptionsdelikte.“
    „Ich dachte, so was Langweiliges will er nicht machen.“
    „Ist auch so.“ Es tat ihr leid, dass sie kurz angebunden klang, als hätte sie keine Lust, bei ihm zu sein, dabei hatte sie ihm angeboten, ihn nach der Arbeit in den Stadtteil Brück in die Wilhelm-Griesinger-Straße zu fahren und ihn auf die geschlossene Station zu begleiten.
    Ben blies seine Wangen auf. „Warum geht er dann hin?“
    „Um herauszufinden, ob es Neuigkeiten zu Julia gibt.“ Und um nicht zu Hause zu sein, fügte sie in Gedanken hinzu. Nachdem er aus der Reha zurückgekehrt war, hatte er bis mittags im Bett gelegen, weil er nichts mit sich anzufangen wusste, aber diese Frustphase war vorbei. Inzwischen stand er extra auf, um mit ihr zu frühstücken. An diesem Morgen jedoch hatte er noch geschlafen – oder so getan als ob.
    Marie drückte auf den entsprechenden Etagenknopf. Ruckelnd setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung.
    „Ist alles okay?“, fragte er und rückte sein Baseball-Cap zurecht. „Du wirkst bedrückt.“
    „Ich bin nur erschöpft. Der Tag im Musical Dome war anstrengend.“ Sie schüttelte ihren Kopf, denn sie wollte ihn nicht auch noch mit ihren Problemen belasten. Um das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, las sie einen Punkt aus der Broschüre, die sie sich an

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