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Leidenschaft der Nacht - 4

Leidenschaft der Nacht - 4

Titel: Leidenschaft der Nacht - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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ausmachte, auf so schmeichelhafte Weise dargestellt zu werden. Merkwürdig jedoch war, dass diese Leute eine überhöhte Meinung von seinesgleichen hatten und sich seinen »Zustand«, wie sie es in Ermangelung einer besseren Bezeichnung ausdrückten, regelrecht herbeisehnten. Sollte er nach vorn gehen und anbieten, jeden zu verwandeln, der dies wünschte, würde sich die Schlange wahrscheinlich bis hinaus auf die Straße erstrecken. Und keiner von ihnen würde über die Konsequenzen nachdenken oder wie sehr sich sein Leben auf ewig veränderte.
    James, wäre er hier, stünde gewiss ganz vorn in der Reihe. Zweifellos täte Olivia gut daran, ihn für den Rest seines Lebens im Auge zu behalten, wenn sie ihn erst wohlbehalten zurückhatte -es sei denn, sie gewährte ihm das »dunkle Geschenk«, das er sich so sehr wünschte. Verweigerte sie es ihm jedoch, würde er sie verachten und womöglich andere Wege finden, sie zu zwingen. Es würde hart für Olivia, bedachte man, dass sie ihre eigene Verwandlung zutiefst bedauerte.
    »Bram Stokers Darstellung des Vampirs ist unzutreffend«, erklärte Haversham. »Er will Sie alle glauben machen, dass Vampire mordlüsterne Feinde sind, pervers und hässlich.« Reign nickte unwillkürlich. Sollte Stoker ein Vorbild für seinen Dracula gehabt haben, musste es ein besonders erbärmliches Exemplar ihrer Art gewesen sein: Wahrscheinlich ein syphilisinfizierte Adliger, der auf dem besten Wege war, zum Nosferatu zu werden - einer monströsen Untergattung der Vampire.
    »In Wirklichkeit aber«, fuhr Haversham fort, »sehen die meisten Vampire nicht anders aus als Sie oder ich, wenn sie nicht gerade von Blutdurst getrieben sind. Sie können auf einem Ball mit ihnen tanzen oder ein Pub besuchen, das einem von ihnen gehört. ja … « Haversham schluckte, als sein Blick auf Reign fiel. Mit einem kühlen Lächeln nickte Reign dem jungen Mann zu, dessen Stimme auf einmal ein bisschen wackelig klang. »Ja, Sie könnten sogar in diesem Moment neben einem sitzen.«
    Reign unterdrückte ein Lachen. Natürlich sprach es nicht für ihn, dass er sich amüsierte, indem er einem jungen Mann Angst einjagte, aber er genoss es trotzdem.
    Hatte Haversham allen Ernstes gedacht, sie würden seine Lüge nicht entlarven?
    Haversham fasste sich und redete noch eine halbe Stunde weiter. Ab und zu wanderten seine Augen in ihre Richtung, und Reign bemerkte ein aufgeregtes Funkeln.
    Er will uns bloßstellen. Vielleicht war Reign übertrieben misstrauisch, doch er konnte die Erregung des jungen Mannes deutlich fühlen. Angestachelt von der Menge und hingerissen von seinen eigenen Überzeugungen, konnte er durchaus jede Vernunft fahrenlassen und Reign und Olivia vor der Menge als Vampire präsentieren. Was dann? Sie könnten es leugnen. Was aber geschah, wenn sich ihnen all diese Leute neugierig näherten, all die aufgeregt schlagenden Herzen? Olivia war verglichen mit Reign noch ein sehr junger Vampir, und sie könnte vom Blutdurst überwältigt werden.
    Nein, das war zu gefährlich.
    Haversham beobachtete sie mit einem irren Leuchten in den Augen, während er seine abschließenden Worte sprach. Danach hoben vereinzelt Leute im Publikum die Hand, um Fragen zu stellen. Unterdessen war offensichtlich, dass Haversham hin- und hergerissen war. Einerseits wollte er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer für sich, andererseits wollte er ihnen den lebenden Beweis liefern, dass es Vampire gab.
    »Gehen wir! « Er nahm Olivias Hand und zog sie hoch.
    »Warten Sie!«, rief Haversham vom Podium aus. Niemand schien zu bemerken, wohin er sah oder dass er regelrecht verzweifelt wirkte.
    Und Reign tat etwas, das er seit über vierhundert Jahren nicht mehr gemacht hatte, weil er sich zu sehr bemühte, die Menschen zu blenden. Er entblößte seine Reißzähne - nur ein wenig - wie ein Raubtier, das bereit war zuzuschlagen.
    Haversham wurde kreidebleich und schwieg.
    Eilig drehte Reign sich um und führte Olivia zur Tür. Keiner von ihnen sagte ein Wort, ehe sie draußen waren.
    Dort brach Olivia das Schweigen. »Er wollte ihnen allen sagen, dass wir Vampire sind, stimmt’s?«
    »Ja.« Sie liefen die Treppe hinunter zu der wartenden Kutsche. »Verfluchter Idiot! «
    »Er hat über uns geredet, als wären wir Götter! Denkst du, er glaubt das alles?«
    Reign zuckte mit den Schultern und stieg nach ihr in die Kutsche. Binnen Sekunden waren sie unterwegs. »Die Menschen glauben an Gott, ohne einen Beweis für seine Existenz zu haben. Der

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