Leidenschaft des Augenblicks
Benedict Faste-ners könnte in andere Hände übergehen oder in Schwierigkeiten stecken, tritt er vielleicht von dem Vertrag zurück. Und es täte mir außerordentlich leid, auf dieses Geschäft verzichten zu müssen.«
Jessie hatte das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden. Das war etwas, was Hatch ganz ausgezeichnet verstand. Mit der Verzweiflung eines gejagten Tieres blickte sie sich in dem Raum um. »Vielleicht könnte Dad Sie begleiten?«
»Das wäre doch wohl etwas unpassend, finden Sie nicht?«
Die kühle Vernunft seiner Worte steigerte Jessies Nervosität noch. Niemand auf der Welt konnte sie so nervös machen wie Sam Hatchard. Sie verdrehte die Telephonschnur noch weiter und begann unruhig auf dem Stuhl hin und her zu rutschen. »Hatch, mir ist klar, daß meine Absage sehr kurzfristig erfolgt.«
»Und nicht unbedingt notwendig ist, wenn Sie mich fragen.« Hatch klang jetzt noch ruhiger. »Ich bin sicher, Mrs. Valentine erwartet nicht von Ihnen, daß Sie auch abends arbeiten.«
»Nun, normalerweise nicht, aber hier handelt es sich um eine Art Notfall.«
»Ist das, was Sie erledigen müssen, wirklich so dringend, daß es nicht bis morgen früh warten kann?«
Jessie starrte hilflos auf den leeren Schreibtisch vor sich. Sie war nicht gut im Lügen. In die Enge getrieben, neigte sie dazu, die Wahrheit zu sagen. Sie wand sich. »Dies hier ist nicht die Art Geschäft, wo man alles so genau Voraussagen kann, wissen Sie.«
»Jessie?«
Sie schluckte wieder. Sie haßte es, wenn Hatch ihr seine volle Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. Dann fühlte sie sich viel zu verwundbar.
»Ja?«
»Ich hatte mich darauf gefreut, Sie heute abend zu sehen.«
»Was?« Jessie fuhr zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten. Die abrupte Bewegung straffte die Telephonschnur; der Apparat fiel vom Schreibtisch und landete mit einem heftigen Knall auf dem Boden. »Oh, verdammt!«
»Das klang, als hätten Sie das Telephon fallen lassen, Jessie«, bemerkte Hatch, während er geduldig darauf wartete, daß sie sich wieder meldete. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Alles wunderbar«, keuchte sie, während sie die Telephonschnur entwirrte und den Apparat mit zittrigen Fingern auf den Schreibtisch stellte. Sie war ungeheuer wütend auf sich selbst. »Hatch, sehen Sie...«
»Ich hole Sie um sieben ab«, sagte Hatch und klang jetzt sehr beschäftigt, was er vermutlich auch war.
Er tat häufig zwei Dinge auf einmal, wobei normalerweise beide mit dem Geschäft zu tun hatten. Die gegenwärtige Situation war das perfekte Beispiel dafür. Jessie war sich absolut sicher, daß seine Bemühungen um sie unter das Kapitel Geschäft fielen.
»Hatch, ich kann beim besten Willen nicht...«
»Sieben Uhr, Jessie. Und jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich habe mit Ihrem Vater noch ein paar wichtige Zahlen zum Galloway-Deal durchzugehen. Bis nachher.« Er legte mit einem höflichen Klick auf.
Jessie hockte sich auf die Stuhlkante und starrte wie betäubt auf den Hörer in ihrer Hand, aus dem jetzt das Tuten des Freizeichens ertönte. Geschlagen legte sie ihn wieder auf die Gabel und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie hätte wissen müssen, daß es nicht einfach sein würde, dem Dinner mit den Galloways zu entgehen. Die Einladung war keineswegs zufällig. Hatch machte ihr den Hof. Zwar war diesbezüglich noch kein klares Wort gefallen, doch es war kein Geheimnis, daß Hatch vorhatte, sie zu heiraten. Der Mann faszinierte sie. Das mußte sie zugeben. Aber sie wußte, daß sie niemals seinen Heiratsplänen zustimmen konnte. Für Hatch wäre die Hochzeit nichts anderes als der Abschluß eines weiteren wichtigen Geschäfts. Dieser spezielle Vertrag würde ihm ein großes Stück von Benedict Fasteners einbringen, und ihr war klar, daß ihm das außerordentlich viel bedeutete.
Im Augenblick stand die Werbung um sie ganz weit oben auf Hatchs Prioritätenliste. Jessie wußte, daß sie ihm zumindest momentan genauso wichtig war wie eines der Geschäfte, die er zur Zeit abwickelte. Und das hieß, daß sie sich in einer ausgesprochen brenzligen Situation befand. Ihr Interesse an ihm ließ sich nicht verleugnen, und bei den Gelegenheiten, bei denen er ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkte, war sie ernstlich in Gefahr, seinen Wünschen nachzugeben.
Wie eine Motte, die das Licht umtanzt.
Jessie schloß die Augen und beschwor das Bild des Mannes herauf, der seit zwei Monaten ihr Fühlen und Denken beherrschte. Seine
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