Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
zurück. Sie hörte die Musik aus dem Saloon, als sie an der Rückseite daran vorbeiging, aber der Marshall war nicht zu sehen. Sie war etwas enttä us ch t und versuchte gar nicht erst, sich einzureden, daß sie im Grunde doch sehr erleichtert war, ihn nicht zu sehen.
Das Zwielicht der Abenddämmerung war für Aislinn die traurigste Zeit des Tages. Die Menschen kehrten in ihre Häuser zurück, um sich im Kreis der Familie zum Abendessen zu setzen. Sie hörte die Stimmen der Frauen, die vor der Tür standen und ihre Kinder riefen.
Sie biß sich auf die Unterlippe, als sie an ihre eigene Mutter dachte, eine Frau voller Liebe und Herzlichkeit, und an ihren Vater, einen schwerarbeitenden Landarzt. Die beiden waren bei einem Hotelbrand ums Leben gekommen, als sie sich einen der seltenen Ausflüge in die Stadt gegönnt hatten, um dort ihren Hochzeitstag zu feiern.
Aislinn und ihre jüngeren Brüder, Thomas und Mark, waren zu Hause gewesen, als man ihnen die schreckliche Nachricht überbracht hatte. Noch heute sah sie das traurige Gesicht des freundlichen Polizisten vor sich, der beim ersten Morgenlicht eines strahlenden Sommertages ins Haus gekommen war, um die Kinder zu informieren.
Aislinn und ihre Brüder hatten keine Verwandten, die ihnen hätten helfen können. Also hatte sie als die Älteste sich um alles kümmern müssen. Geld war praktisch keins vorhanden gewesen, das Haus war mit einer Hypothek belastet gewesen, und obwohl Aislinn es kurzfristig hatte verkaufen können, war davon gerade noch so viel übrig geblieben, um die anderen Schulden zu bezahlen. Ein paar Männer hatten ihr angeboten, sie zu heiraten - das wäre vermutlich die einfachste Lösung gewesen -, aber alles in Aislinn hatte sich gegen eine Verbindung ohne Liebe gesträubt. Außerdem hatte sie als Tochter eines Doktors gewusst , was diese Männer von ihr verlangt hätten - und dazu war sie mit ihren sechzehn Jahren noch nicht bereit gewesen.
Schließlich hatte sie sich entschlossen, ihre Brüder in einem Internat in Portland, Maine, einz u sch ulen - wofür sie die letzten Ersparnisse hatte ausgeben müssen. Sie hatte sich dann an eine Agentur gewandt und nach Arbeit im Westen gefragt. Nun plante sie, ihren Verdienst zu sparen, ein kleines Stück Land zu kaufen und ihre Brüder nachkommen zu lassen, sobald sie ihnen ein Dach über dem Kopf bieten konnte.
Aislinn hatte auch sofort eine Stelle als Serviermädchen im Bahnhof von Kansas City bekommen. Sie hatte die Arbeit auch nur aufgegeben, weil einer der Gäste ihr allzu aufdringlich nachgestellt hatte. So war sie von Stadt zu Stadt weiter nach Westen gezogen.
Jetzt war sie neunzehn und hatte ein hübsches Sümmchen gespart. Ein paar Meilen außerhalb von Prominence hatte sie eine verlassene Farm entdeckt, die zum Verkauf stand. Wenn der Vertrag erst unter Dach und Fach war, würde sie ihren Brüdern Geld schicken, damit sie zu ihr in den Westen kamen, worauf die beiden Jungs schon sehnsüchtig warteten. Natürlich hoffte sie, eines Tages zu heiraten und eigene Kinder zu haben, aber das Leben hatte sie vorsichtig gemacht. Je erwachsener und erfahrener sie wurde, desto weniger war sie bereit, Kompromisse zu machen. Wenn sie heiratete, muss te es schon der richtige Mann sein.
Als sie sich dem Eingang der Hotelküche näherte, hörte sie das Klappern der Töpfe und des Geschirrs, die hektischen Worte, die zwischen der Köchin und den Serviermädchen gewechselt wurden, und die beruhigende Stimme von Eugenie, die alles im Griff hatte. Aislinn lächelte, als sie in die Küche trat, denn irgendwie war das wie nach Hause zu kommen.
»Da bist du ja wieder«, meinte Eugenie, deren Arme bis zu den Ellbogen im Wasserbecken steckten. Neben ihr stand ein Berg von schmutzigem Geschirr, das noch gespült werden muss te. »Ich wollte schon Mathilda losschicken, um nach dir zu sehen. Nimm dir etwas zu essen und komm mir nicht damit, daß du keinen Hunger hättest, Miss. Ich werde mir nicht nachsagen lassen, daß ich meinen Mädels nicht genug zu essen gebe.«
Aislinn war hungrig, und sie war froh, daß es jemanden gab, der sie erwartet hatte, der ihr zeigte, daß sie hier an diesem Ort zu Hause war - wenn auch vielleicht nur vorübergehend. Die Küche war warm, und Eugenies warmherzige Zuneigung tat ihr gut. Aislinn nahm sich eine dicke Scheibe Braten, einen Löffel voll Wurzelpüree mit Butter und ein Stück Maisbiskuit. Damit setzte sie sich in die Ecke an einen Tisch , der vom warmen Schein einer Lampe
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