Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
gewesen wäre, wenn er zusammen mit diesem Mann, den er nicht kannte und von dessen Existenz er nichts geahnt hatte, aufgewachsen wäre. Für einen kurzen Moment bedauerte er es schmerzlich, daß sie all die Jahre voneinander getrennt gewesen waren. »Der Fahrer der Kutsche war ein guter Freund von mir«, knurrte er. »Ein feiner, anständiger Mann und ein Familienvater.«
»Das war er sicher«, erwiderte Tristan leise, »aber du muss t dir schon etwas Überzeugenderes einfallen lassen. So ein feiger Überfall ist immer eine Tragödie, aber ein Mann wie du würde davon nicht derart aus der Bahn geworfen werden.«
Shay muss te sich zum Reden zwingen und brachte die Worte dennoch nur stoßweise heraus. »In der Kutsche saß eine Frau. Ihr Name war Grace Warfield. Wir wollten eine Woche später heiraten.«
Tristan schwieg lange. Dann trat er zu seinem Bruder und legte seine Hand auf dessen Schulter. »Tut mir leid.«
Shay wandte sich zu ihm tun, aber er hatte nicht die Absicht, noch ein Wort mehr über Grace zu sagen. »Wieso glaubst du, daß wir die Schuldigen nach so langer Zeit noch finden werden? Es ist doch nicht so, daß ich - und die Männer an meiner Seite - nicht gesucht hätten. Wir haben im Umkreis von fünfzig Meilen jeden He u sch ober dur ch wühlt, wir haben jeden Saloon auf den Kopf gestellt und jedes Hurennest ausgeräuchert.«
»Die Spielsaloons und die Hurenhäuser habe ich auch alle abgeklappert«, antwortete Tristan düster. »Wer immer die Kerle sind, dort verkehren sie nicht, und das deutet darauf hin, daß sie sich direkt vor unserer Nase aufhalten müssen. Denk nach, Marshall . Wer könnte eine Brücke in die Luft jagen, wenn eine Kutsche mit unschuldigen Menschen darüber fährt? Warum haben die Banditen sich so viel Arbeit gemacht? Warum haben sie die Kutsche nicht einfach angehalten, das Geld genommen und sind mit der Beute über alle Berge verschwunden?«
Tristan hatte die unschuldigen Opfer natürlich absichtlich erwähnt, er wollte Shay reizen, ihn wütend machen und aus der Reserve locken. Das durchschaute der Marshall zwar, aber es änderte nichts daran, daß Saint-Laurent sein Ziel erreicht hatte. Shay ballte die rechte Hand zur Faust, aber er brachte es nicht über sich, das Gesicht zu schlagen, das sein eigenes zu sein schien.
»Nur zu«, sagte Tristan leise. »Schlag mich, wenn du dich dann besser fühlst. Vielleicht können wir danach tun, was getan werden muss .«
Langsam lockerte Shay seine Faust.
Tristan verschränkte die Arme vor der Brust und grinste wieder. »Vielleicht bist du ja doch klüger, als ich dachte. Wenn du mir nämlich ein blaues Auge geschlagen hättest, hätte ich dir auch ein Veilchen verpassen müssen - damit die Leute uns nicht unterscheiden können. Ich gebe allerdings zu, daß ich dir gerne eine reingehauen hätte.«
Shay seufzte tief. »Vielleicht könntest du mich wirklich verprügeln, aber ich schwöre dir, daß du auch dein Fett abbekommen hättest. Also, was schlägst du vor?«
»Setz dich, Marshall «, brummte Tristan und deutete auf den Stuhl, auf dem er eben selbst noch gesessen hatte.
Shay nahm Platz, und er muss te sich beherrschen, die Beine nicht auf den Schreibtisch zu legen, wie sein Bruder es getan hatte - und wie er selbst es gewöhnlich tat, seit er als Marshall vereidigt war.
Tristan begann zu reden, wobei er vor dem Schreibtisch hin und her lief wie ein Großstadt-Anwalt vor der Geschworenenbank. Was er sagte, machte durchaus Sinn. Natürlich würden die Leute in Prominence bald vermuten, daß es einen Doppel- Marshall gab, aber da das logischerweise unmöglich war, würde die Verwirrung immer größer werden, wodurch die Brüder einen gewissen Vorteil haben würden.
Als Tristan seine Rede beendet hatte, öffnete Shay eine Schublade und holte den Stern heraus, den sein Vorgänger im Amt, Big Dan Collins, getragen hatte. Shay war fünf Jahre lang Dans Assistent gewesen, bis der ältere Mann bei dem Versuch, einen Streit im >Yellow Garter Saloon< zu schlichten, erschossen worden war. Es gab keinen Menschen, den Shay jemals so bewundert hatte wie Big Dan Collins,
Er polierte den Silberste rn an seinem Hemd, bevor er ihn seinem Bruder gab. »Falls du dich erschießen läßt«, sagte er - und seine Stimme klang plötzlich rauh, »dann achte bitte darauf, daß du irgendwo anders getroffen wirst, damit der Stern nicht beschädigt wird. Den möchte ich nämlich wie neu zurückgeben.«
Ohne hinzusehen, steckte Tristan den Stern
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