Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
in den Schatten gestellt hätte. »Ich erkenne allerdings keine Ähnlichkeit.«
Gegen ihren Willen muss te Aislinn lachen.
»Schon besser«, meinte T ristan freundlich, zog sich ei nen Stuhl heran, setzte sich und schlug die Beine übereinander, während Aislinn sich wieder auf die Kante der Pritsche setzte. »Was dachtest du dir eigentlich dabei, in so einem Kleid in den Saloon zu gehen?« fragte er. Seine Stimme klang vielleicht ein wenig verwundert, aber bestimmt nicht vorwurfsvoll.
»Im ersten Moment erschien mir das vollkommen logisch«, bekannte sie. »Ich wusste , daß Shay ... daß Marshall McQuillan heute mittag eine Auseinandersetzung mit Billy Kyle hatte. Billy ist ein mieser Bursche, gefährlicher als eine Viper. Als wir - Liza Sue und ich - die Schüsse hörten, bekam ich plötzlich Angst um Shay. Ich ... ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß er tot sein könnte. Deshalb muss te ich irgendwas unternehmen.«
Tristan gab sich sichtlich Mühe, nicht zu grinsen. Er hob nur eine Augenbraue und schwieg. Aber das war beredt genug.
»Ich weiß, daß es verrückt klingt«, fuhr sie fort, »aber ich dachte, daß ich weniger auffallen würde, wenn ich ein Kleid tragen würde wie die anderen Frauen im >Yellow Garter Saloon<. Deshalb habe ich einfach Liza Sues Kleid angezogen und bin losgerannt - ohne genau zu wissen, was ich hin sollte.«
»Aha«, murmelte Tristan, als ob damit alles erklärt wäre. »Und wer bitte ist Liza Sue?«
Aislinn erzählte kurz, wie sie das Mädchen gefunden und ins Hotel geschmuggelt hatte, um ihm zu helfen.
»Scheint eine Gewohnheit von dir zu sein, anderen Menschen helfen zu wollen«, entgegnete er. Auch diesmal klang seine Stimme nicht vorwurfsvoll, sondern eher neugierig.
»Nein«, erwiderte sie und senkte schnell den Kopf. Dabei stimmte es, daß sie Menschen in Not immer zu helfen versuchte. Aber war das etwas Besonderes? Man muss te seinen Mitmenschen doch helfen! Sie hatte Mitleid mit Liza Sue gehabt, und sie war zum Saloon gegangen, weil sie Angst um Shay gehabt hatte. Wurde man jetzt schon dafür bestraft, daß man andere Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überließ?
Tristan stand auf, ging zum Ofen und goß sich selbst einen Becher mit Kaffee ein. Er hob den Becher hoch. Offenbar wollte er wissen, ob sie auch noch einen Schluck wollte. Aislinn schüttelte den Kopf. Sie war es nicht gewohnt, daß jemand sie bediente, wo sie doch in den letzten drei Jahren - sechs Tage die Woche und zehn bis zwölf Stunden am Tag - immer andere Menschen bedient hatte.
Tristan ging zu seinem Stuhl zurück, drehte ihn um, setzte sich rittlings darauf und stützte einen Arm auf die Lehne, während er in der anderen Hand seinen Becher hielt. »Seit wann hast du denn diese zärtlichen Gefühle für meinen Bruder?« Seine Stimme war ausdruckslos wie immer.
Aislinn starrte ihn an. »Zärtliche Gefühle?«
Er beugte sich vor und verzog den Mund zu dem berühmten schrägen Grinsen. »Na ja, warum bist du sonst in diesem Aufzug und mit einem Derringer in der Hand in den Saloon gestürmt?«
Aislinn sackte noch ein bisschen mehr in sich zusammen und suchte nach einer vernünftigen Antwort, die ihr jedoch nicht einfallen wollte. »Ich weiß es nicht«, gab sie schließlich kläglich zu. »Gestern konnte ich den Menschen noch nicht ausstehen.«
Tristan lachte leise in sich hinein. »Verstehe«, murmelte er, stand auf und stellte den Stuhl an die Wand zurück. »Kann ich dir irgendwas aus dem Hotel besorgen? Ein anderes Kleid vielleicht?«
Sie blickte ihn traurig an. »Wenn du mir helfen willst, dann sag deinem Bruder, daß er mich auf der Stelle gehen lassen soll. Ich habe schon genug Schwierigkeiten, und es muss nicht die ganze Bevölkerung sehen, wie ich am hellichten Tag das Gefängnis verlasse.«
Tristan schaute sie mitfühlend an. »Tut mir leid, aber ich kenne Shay nicht gut genug. Mir scheint, daß er unglaublich stur sein kann. Wenn er dich freiläßt, dann nur, weil er es so entscheidet.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, meinte sie zögernd.
»Was ist nun mit einem anderen Kleid?«
Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als Liza Sues stinkenden Fummel loszuwerden. Aber jetzt würden Eugenie und alle anderen im Hotel schlafen, und wenn Tristan sie weckte, würde die Sache nur noch schlimmer werden. »Gibt es vielleicht noch eine andere Decke ...?«
Tristan fand eine Wolldecke, die zwar kratzig, aber sauber war, und reichte sie ihr durch
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