Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
die Gitterstäbe. Dann setzte er sich wieder an den Schreibtisch und las in seinem Buch, das er zur Seite gelegt hatte.
Diesen Mann schien einfach nichts erschüttern zu können.
»Soll ich noch mal in einen Pferdetrog tunken, Billy, oder wirst du dich ab sofort wie ein Gentleman benehmen?« Shay hockte neben seinem Gefangenen und spielte mit dem Schlüssel der Handschellen.
»Ich will nur heim«, jammerte der Gernegroß. Er traute sich nicht, Shay in die Augen zu sehen, aber der Marshall wusste , daß der Bursche ihn am liebsten umgebracht hätte. »Laß mich endlich gehen. Mein Pa wird sich schon Sorgen um mich machen.«
Shay rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Ich sorge dafür, daß er zur Powder Creek Ranch kommt, Marshall «, bot der Mann an, mit dem Shay Billard gespielt hatte. Jim O'Sullivan war der Vormann auf der Kyle-Ranch, und der alte Herr schickte ihn oft mit Billy mit, damit Jim Kindermädchen spielte und der Junge keinen Unsinn machte. Geholfen hatte das bisher allerdings wenig.
»Gut, Jim«, entschied der Marshall . »Schaff Billy aus der Stadt und sorge dafür, daß er sich eine Weile von hier fe rn hält. Billy und ich stehen nicht gerade auf freundschaftlichem Fuß, und es wäre besser, wenn wir uns eine Zeitlang nicht sehen würden.«
O'Sullivan nickte sofort, um sein Einverständnis zu erklären, denn er wusste , daß ihm der alte Kyle die Hölle heiß machen würde, wenn er ohne Billy zur Powder Creek Ranch zurückkehren würde.
Das war Shay natürlich auch klar, aber ihm blieb gar nichts anderes übrig, als Billy freizulassen, da ja Aislinn bereits in der einzigen Zelle des Gefängnisses saß.
Billy hatte sich mit seinem Bowie-Messer auf den Marshall gestürzt, als der in die Bar gekommen war. Es war zu einem kurzen Handgemenge gekommen, bei dem Shay alle Kraft und Geschicklichkeit hatte aufwenden müssen, um Billy in die Knie zu zwingen. Dann war es ihm gelungen, den Raufbold an die Fußstange zu fesseln.
Anschließend hatte Shay mit Jim O'Sullivan Billard gespielt, bis Aislinn die Partie unterbrochen hatte. Sie hatten über den Überfall der Kutsche gesprochen. Der Vormann der Powder Creek Ranch hatte zwar nicht definitiv zugegeben, die Täter zu kennen, aber ihm war der Schweiß auf die Stirn getreten, und Shay hatte daraus geschlossen, daß O'Sullivan wusste , wer den Anschlag ausgeführt hatte.
Shay hatte Runde um Runde spendiert, und der Mann war immer betrunkener - und gesprächiger geworden. Es war nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis Jim die Katze aus dem Sack gelassen hätte. Aber dann war Aislinn plötzlich aufgetaucht und hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn seither hatte der Vormann kein Wort mehr gesagt.
Shay löste die Handschellen, riß Billy hoch und stieß ihn in die Arme des Vormanns. »Schaff ihn weg«, knurrte er.
Billy öffnete den Mund, um etwas Unflätiges zu sagen, aber O'Sullivan packte den Jungen am Arm und schob ihn schnell durch die Tür ins Freie.
»Billy ist ein Typ, der einen Mann von hinten erschießt«, meinte Jake gleichmütig, während er ein schmutziges Glas mit einem noch schmutzigeren Lappen polierte. Seinem Gesicht war anzusehen, daß er in so einem Fall nichts dagegen unternehmen würde.
Shay rieb sich nachdenklich den Nacken. Es war ein langer Tag gewesen, und er war froh, daß nicht mehr passiert war. Er blickte noch einmal in die Runde und verließ dann den Saloon.
Es war eine warme Nacht, und die Sterne hingen so tief am Himmel, als wollten sie im nächsten Augenblick wie silberne Taler zur Erde regnen.
Langsam ging er zum Gefängnis und öffnete die Tür. Tristan, der am Schreibtisch saß und ein Buch las, legte den Finger an die Lippen und deutete auf Aislinn, die auf der Pritsche lag und schlief. Leise trat Shay zur Zelle und betrachtete die junge Frau durch die Gitterstäbe hindurch. Er spürte einen Stich in der Brust - und er hatte plötzlich Angst, denn gegen seine Gefühle halfen ihm weder sein Fünfundvierziger noch seine Muskeln.
Nach einer Weile drehte er sich um und trat zu Tristan. »Du solltest schlafen gehen«, meinte er. »Es ist schon spät.« Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch. »Ich habe ein Zimmer drüben in der Pension bei Miss Mamie. Es ist oben im ersten Stock, hinten links. Die Wirtin weiß, daß ich gewöhnlich spät komme, und wird sich nicht um dich kümmern.«
Tristan nahm den Schlüssel und nickte. »Schätze, daß einer von uns mal ein
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