Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
war, und bemerkte, daß sie ihn irgendwie gut leiden konnte - obwohl ihr seine nächsten Worte gar nicht gefielen. »Dieses Kleid ist ein klarer Fall von Erregung öffentlichen Ärgernisses.«
Shay seufzte, schloss die Augen und hielt die Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger fest, als ob er Kopfschmerzen hätte. »Genau«, brummte er. »Das ist es. Dieses Kleid ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.« Er öffnete die Augen und schaute Aislinn an. »Du wirst verstehen, daß ich dich nicht freilassen kann, Aislinn Lethaby. Nicht, solange du so ein freizügiges Kleid trägst und damit ein öffentliches Ärgernis bist.«
Aislinn wollte nicht glauben, daß er sie unter diesem V o rwand weiter festhielt. »Wenn ich schuldig bin, dann sind es alle anderen Frauen, die im > Yellow Garter Saloon< arbeiten, auch. Warum sind die nicht hinter Gittern?«
»Wenn du gerne die Zelle mit ihnen teilen möchtest, kann ich das arrangieren«, erwiderte Shay scheinbar gleichmütig.
»Das wird mir eine Lehre sein, dir helfen zu wollen«, murmelte Aislinn verbittert.
Shay lächelte grimmig. »Das will ich doch hoffen.« Dann wechselte er einen kurzen Blick mit Tristan, warf den Zellenschlüssel in die Luft, fing ihn wieder auf und steckte ihn zu dem Derringer in seine Westentasche. Danach drehte er sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Gefängnis.
5
Aislinn saß verloren auf der Kante der Gefängnispritsche - Gott allein wusste , wer hier schon geschlafen hatte und welche Keime und Bakterien diese Leute in der schäbigen Decke hinterlassen hatten -, stützte ihre Ellbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Hände. Sie hätte weinen mögen, aber sie wusste , daß sie sich durch ihre eigene Dummheit und Unbesonnenheit in diese mißliche Lage gebracht hatte. Gerne hätte sie ja die Schuld dafür Shay McQuillan in die Schuhe geschoben, aber das wäre weder fair noch gerecht gewesen. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht, und dafür bekam sie nun seine Undankbarkeit zu spüren - denn schließlich hatte er sie nicht darum gebeten, mitten in der Nacht in diesem freizügigen Kleid in den >Yellow Garter Saloon< zu kommen, um ihm beizustehen. Eugenie hatte recht gehabt: Shay hatte ihre Hilfe nicht gebraucht - und sie auch nicht haben wollen, nicht dort. Schließlich war er der Marshall und nicht einer ihrer kleinen Brüder.
Aislinn schniefte. Sie hatte sich von einem Impuls, einer spontanen Eingebung, leiten lassen - was eigentlich gar nicht ihrer Art entsprach - und nun bekam sie die Quittung dafür. Die Anstellung im Hotel konnte sie abschreiben, denn selbst wenn Eugenie sie nicht wegschicken würde, könnte Aislinn nicht bleiben, denn das wäre nach allem, was sie sich in den letzten Tagen geleistet hatte, einfach unmoralisch. Die Autorität der älteren Frau würde für immer untergraben sein, auch andere Mädchen könnten dann aus der Reihe tanzen und Eugenies Anweisungen mißachten. Die strengen Hausregeln wären nichts mehr wert.
Aislinn seufzte tief. Sie war zwar in der Lage, eine Weile von ihren Ersparnissen zu leben, aber sie konnte nicht mehr die kleine Farm kaufen, und es war völlig ausgeschlossen, daß sie ihre Brüder in den Westen kommen ließ. Die Jungen waren ziemlich unglücklich in der Internatsschule in Maine, aber dort bekamen sie wenigstens etwas Anständiges zu essen, wurden eingekleidet und hatten saubere Betten zum Schlafen.
»Er versucht nur, dich zu beschützen.«
Sie blickte auf und sah Tristan, der auf der anderen Seite des Gitters stand. Er lächelte und hielt einen Kaffeebecher in der Hand. Aislinn hatte ganz vergessen, daß er auch noch da war, und es dauerte einen Moment, bevor sie begriff, daß er ihr zu erklären versuchte, weshalb Shay sie eingesperrt hatte.
»Hier, trink einen Schluck Kaffee«, meinte Tristan und streckte seine Hand mit dem Becher durch die Gitterstäbe. »Vielleicht hebt das deine Stimmung ein bisschen .«
Sie nickte, stand auf, nahm den Becher und trank einen Schluck Kaffee, der erstaunlich gut schmeckte. Schon der Duft war belebend, und sie muss te an ihren Vater denken, der zum Frühstück gerne einen leicht nussigen Kaffee getrunken hatte.
»Wer bist du?« fragte sie.
»Das habe ich dir schon gesagt«, antwortete er. »Mein Name ist Tristan Saint-Laurent.«
»Und du bist der Zwillingsbruder des Marshall s?«
»Sieht so aus«, antwortete Tristan seufzend, aber dann verzog er seinen Mund zu diesem unnachahmlichen Lächeln, das selbst die Sonne
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