Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
vorhanden. Die ganze Szene war so friedlich, daß Emily, die die Ti ere von einer kleinen Erhebung aus im Auge behielt, für einen kurzen Moment ihre Wachsamkeit vergaß und einschlummerte. Mr. Polymarr war irgendwo unterwegs, um Kaninchen fürs Abendessen zu schießen. Spud weckte seine Herrin, indem er sie aufgeregt mit der Schnauze anstupste. Hätte der Hund sie nicht gewarnt, hätten die fremden Reiter, die rücksichtslos über den Hügel kamen, Emily möglicherweise zu Tode getrampelt.
Sie sprang auf, zog ihren Achtunddreißiger, der in ihrer Hand zitterte, und richtete die Waffe auf die Brust des Anführers. Die Schafe drängten sich verängstigt aneinander und blökten laut. »Halt sie zusammen, mein Freund«, befahl sie dem Hund.
Spud zögerte, von ihrer Seite zu weichen, aber als sie ihren Befehl wiederholte, rannte er los und trieb die Tiere, die ihr Heil in der Flucht suchen wollten, zur Herde zurück. Emily betrachtete die sechs Reiter. Ihre Pferde hatten verschiedene Brandzeichen, aber Emily vermutete, daß die Bande von der Powder Creek Ranch kam.
»Was wollen Sie hier?« fragte sie und straffte entschlossen die Schultern.
Den Desperados schien die ganze Sache einen höllischen Spaß zu machen. »Wir wollen Sie nur von diesen Schafen befreien, Ma'am«, antwortete einer der Männer. Wie die meisten anderen trug er ein Gewehr bei sich, und Emily wusste , daß solche Leute ihre Waffen nicht zur Zierde trugen. Wenn es zu einer Schießerei kommen würde, wäre sie cháncenlos. Vielleicht würde es ihr gelingen, den Anführer zu erschießen, aber in der nächsten Sekunde wäre sie auch tot.
Sie streckte den Arm mit dem Revolver ganz aus und wunderte sich, daß ihre Hand plötzlich s o ruhig war, obwohl ihr Herz aufgeregt klopfte. Gleichzeitig schob sie mit der flachen anderen Hand so routiniert wie ein erfahrener Schütze den Hammer zurück. Wenn das mal nicht außer Kontrolle gerät, flehte sie dabei stumm. »Reiten Sie zurück, woher Sie gekommen sind«, befahl sie mit erstaunlich fester Stimme. »Sonst bekommen Sie Ärger.«
Die Reiter schauten einander amüsiert an, und sie schienen von ihrer Drohung nicht im geringsten beeindruckt zu sein. Emily wusste , daß die sechs ein Blutbad unter ihrer
Herde anrichten würden, sobald sie die Hirtin ausgeschaltet hätten. Die Tiere würden elend verenden - und das konnte und würde Emily nicht zulassen.
»Sie können diese Viecher nicht beschützen, Ma'am«, sagte der Wortführer und tippte sich dabei höflich an den Hut. »Jedenfalls nicht allein«, fügte er hinzu.
In diesem Moment krachte ein Schuss , und die Kugel bohrte sich direkt vor den Vorderhufen des Pferdes in den Boden. Das Ti er wieherte erschrocken und stieg auf die Hinterläufe, wobei es seinen überraschten Reiter beinahe aus dem Sattel geworfen hätte. Emily blickte über die Schulter. Sie erwartete, Tristan zu sehen, der zum nächsten Schuss bereit war, aber zu ihrer Enttä u sch ung - aber auch zu ihrer Erleichterung - erblickte sie Mr. Polymarr und Fletcher.
»Verschwindet«, rief Polymarr. Er sah aus wie Methusalems Großvater, aber die Art wie er dastand, wie er sein Gewehr hielt und wie er sprach, machte jedem deutlich, daß er es bitter ernst meinte. »Wir drei holen euch schneller aus dem Sattel, als ihr eure Pferde wenden könnt, um das Weite zu suchen.«
Ein Mann, der etwas außerhalb von Polymarrs Blickfeld stand, zog seinen Revolver. Bevor ihr Herz den nächsten Schlag tat, schoss Emily auch schon. Natürlich verdankte sie den Treffer ihrem Glück und nicht ihren Schießkünsten, jedenfalls durchbohrte ihre Kugel die rechte Hand des Desperados, der mit einem Aufschrei seine Waffe fallen ließ.
In diesem Moment sah Emily einen anderen Mann, der sein Gewehr wie eine Keule schwang. Sie sah den Kolben, der sich rasend schnell auf sie zubewegte und ihr in der nächsten Sekunde den Kopf zerschmettern würde. Sie wollte sich zu Boden werfen, aber ihr Körper war wie gelähmt. Da krachte der nächste Schuss , und der Angreifer flog rückwärts aus dem Sattel.
»Ich hatte euch gewarnt«, knurrte Polymarr und spuckte auf den Boden.
Die Schüsse, die Schreie und die Unruhe um sie herum hatten die Schafe natürlich in Aufruhr versetzt. Spud sprang bellend von einer Seite der Herde zur anderen und versuchte, die Tiere unter Kontrolle zu halten. Der Hund schien hin- und hergerissen zu sein zwischen seiner Pflicht als Hirtenhund und dem Wunsch, seiner Herrin beizustehen. Das
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