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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Reservekörner haben, die Glücklichen.« Er bedachte Florian mit einem stechenden Blick. »Klar, oder?«
    Der Angesprochene nickte mit betretener Miene.
    Dr. Schneider zog die Augenbrauen hoch und ließ sie oben verharren. Er reckte den Zeigefinger empor und verkündete in eindringlichem Ton: »Schreib dir mal Folgendes hinter die Ohren: Indem wir das tun, was die anderen auch tun, erfüllen wir eine eminent wichtige Funktion, denn wir sorgen dadurch für mehr Gerechtigkeit im Sport. Das siehst du doch genauso, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Sehr gut«, lobte der Sportmediziner.
    Er schob seinen Kopf so nahe an Florian heran, dass diesem ein stark nach Zigarettenrauch und Kaffee riechender Atem in die Nase kroch.
    Reflexartig nahm Florian den Kopf ein Stück zurück.
    Dr. Schneider senkte die Stimme und flüsterte: »Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass Turbofood in Insiderkreisen auch als ›Ferrari-Team des Radsports‹ bezeichnet wird?« Nachdem der eingeschüchterte Jungprofi stumm den Kopf geschüttelt hatte, fuhr er fort: »Und weißt du auch, warum?«
    Florian schaute ihn mit großen, fragenden Augen an.
    »Ganz einfach: weil wir den anderen Teams immer ein kleines, aber entscheidendes Stückchen voraus sind.«
    Der Sportmediziner steckte sich eine Zigarette in den Mund, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug.
    In den ausströmenden Qualm hinein sagte er: »Dieses ganze Doping-Theater ist sowieso paradox von hinten bis vorne. Ein einfaches Beispiel: Wenn du vier Wochen intensives Höhentraining betreibst, darfst du ganz legal mit erhöhten Hämatokrit-Werten an den Start gehen. Aber was ist mit einem, der sich solch ein Luxus-Trainingslager finanziell nicht leisten kann? Der ist doch extrem benachteiligt, oder?«
    Florian Scheuermann nickte stumm.
    »Und was ist mit den Rennfahrern, die von Geburt an irgendwo in Südamerika in Hochgebirgsregionen wohnen und lebenslang von einem natürlichen Höhentraining profitieren? Diese Fahrer wären doch den anderen gegenüber enorm begünstigt. So etwas wäre extrem wettbewerbsverzerrend, nicht wahr?«
    »Ja, klar.«
    »Na, siehst du. Ich habe gleich gewusst, dass wir beide uns prächtig verstehen werden.« Gierig sog er an seiner Zigarette und blies den Rauch aus dem Mundwinkel heraus wie durch eine Düse an die Decke. Dann räusperte er sich ausgiebig.
    Jenny reichte Florian unterdessen einen Trinkbecher. »Vitamine und Mineralstoffe«, erklärte sie und wartete, bis der Jungprofi sich die Flüssigkeit einverleibt hatte.
    Dr. Schneider schnippte die Asche von seiner Zigarette ab und sagte: »Um diese Benachteiligungen auszugleichen, sind wir geradezu gezwungen, der Natur ein wenig auf die Sprünge zu helfen und für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Weißt du, Florian, bei diesem ganzen Doping-Gequatsche herrscht sowieso eine total verlogene Doppelmoral. Jeder weiß schließlich ganz genau, dass ohne medizinische Hilfe niemals die Höchstleistungen erbracht werden könnten, die alle sehen wollen: die Zuschauer, die Veranstalter, die Sponsoren – und auch die Funktionäre der ach so untadeligen Sportverbände.« Abschätzig stieß er Rauch durch die Nase. Einen Moment lang sah er aus wie ein fauchender Drache. »Leistungssport ist eben kein Minigolf.«
    »Oder Hallen-Jo-Jo«, kicherte Jenny.
    Sie kam auf die beiden Männer zu und fing an, dem Jungprofi vorsichtig die EKG-Saugnäpfe von der unbehaarten Brust zu entfernen.
    Dr. Schneiders lüsterner Blick taxierte die attraktiven weiblichen Rundungen vor seinen Augen. Schmunzelnd nippte er an seinem Kaffee.
    »Florian, hast du eigentlich gewusst, dass hier bei uns in Europa früher der Kaffeekonsum geächtet wurde?«, fragte er.
    Da der junge Radsportler wie paralysiert in Jennys Ausschnitt stierte, konnte er sich kaum auf die Worte des Mediziners konzentrieren. Mechanisch schüttelte er den Kopf.
    »Johann Sebastian Bach hat sogar eine Kaffeekantate komponiert, um seine Mitmenschen von dieser angeblichen Teufelsdroge fernzuhalten«, fuhr der Sportmediziner fort. Geradezu andächtig betrachtete er seine Henkeltasse. »Stell dir das mal vor: Ein Leben ohne Kaffee – undenkbar!«
    »Genauso undenkbar wie ein Leben ohne Sex«, schnurrte Jenny wie eine rollige Wildkatze. Sie zog den letzten Saugnapf von Florians nacktem Oberkörper und streichelte mit den Fingerkuppen sanft über die gerötete Stelle.
    Florian überlief abwechselnd ein heißer und kalter Schauer.
    Jenny feuerte ein kesses Lächeln ab und erhob sich.

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