Leipziger Affären - Kriminalroman
Hand, und unvermittelt riss er sie an sich. Es war ein harter Kuss, aggressiv und besitzergreifend. Miriam schien ihn zu genießen, sie drückte sich an seinen Körper und legte die Arme um seinen Hals. Ihre Zunge wühlte in seinem Mund, und plötzlich sah Henne Erikas Gesicht vor sich. Sogleich bereute er, was er getan hatte, und machte sich von Miriam los. »Tut mir leid.«
Miriam strich über seinen Arm. »Warum? Magst du keine Frauen?« Wie selbstverständlich ließ sie das »Sie« fallen.
»Doch, gewiss, aber du und ich, das geht einfach nicht.«
»Und warum nicht?«
Weil sie noch immer eine Verdächtige war. Weil es in seinem Leben bereits eine Frau gab. Weil er zu alt für solche Spielchen war. Er sagte nichts von alledem, sondern stand einfach nur da.
Miriam lachte ihr leises Lachen, das ihm schon so vertraut geworden war. Dann wandte sie sich ab und holte den Kuchen aus dem Ofen.
Henne schaute ihr dabei zu und fühlte sich auf einmal wie ein kleiner Junge, der sein Lieblingsspielzeug verloren hatte. »Ich verschwinde besser«, sagte er. Als Miriam nicht antwortete, drehte er sich um und ging langsam durch den Flur zur Tür. Einen irrwitzigen Moment lang hoffte er, dass Miriam ihn zurückrufen würde. Dass sie es nicht tat, erleichterte ihm den Weg. Leise zog er die Tür hinter sich ins Schloss.
Im Auto würgte Henne den Motor zweimal ab, ehe er startete. Ziellos fuhr er durch die Stadt. Worauf hatte er sich bloß eingelassen? Diese Miriam Jakob gefiel ihm. Bei dem Gedanken an ihre Haut atmete er schneller. Aber nein, weder wollte er der Nachfolger von König werden noch Erika verlassen. Dennoch brodelte es in ihm, wenn er Miriam vor sich sah und ihr dunkles Lachen hörte. Wieder meinte er ihren Duft zu riechen und seufzte leise. Weiß der Geier, was sie mit ihm trieb. Eines wusste er genau: Er durfte sich nicht von ihr beeinflussen lassen. Er war Polizist und erst in zweiter Linie Mann.
Obwohl es schon September war, zeigte sich die Mittagssonne von ihrer besten Seite. Das Autothermometer zeigte knapp zwanzig Grad, als Henne in die Straße einbog, in der er wohnte. Um diese Zeit waren nur wenige Menschen unterwegs. Ein paar ältere Damen auf dem Weg in den Lebensmittelmarkt, einige Studenten, die vermutlich das schöne Wetter genießen wollten, ansonsten war die Straße leer. Henne parkte den Wagen und ging ins Haus.
Am Morgen war der Zeitungsmann noch nicht durch gewesen, doch mittlerweile steckte die Zeitung im Kasten. Da er nun schon hier war, konnte er auch noch einen Kaffee trinken. Henne ging nach oben. Als er die Tür aufschloss, kam Dschingis Khan ihm schwanzwedelnd entgegen.
»Braver Junge.« Henne lotste den Hund in die Küche. Dort füllte er die Kaffeemaschine, und während er wartete, bis der Kaffee fertig war, teilte er sich mit Dschingis den Wurstaufschnitt, den Erika vermutlich für das Abendessen vorgesehen hatte. Mit einer Tasse Kaffee setzte er sich auf die Terrasse, die sich über die ganze Fensterfront zog. Nachsichtig lächelnd beobachtete er Dschingis, der an den Geländerstäben schnüffelte, ehe er sich niederließ und unter halb geschlossenen Lidern hervor zu ihm hinüber linste. Henne faltete die Zeitung auseinander. Wie immer begann er von hinten. Wie Leonhardt vorausgesagt hatte, war König das Thema der Lokalseite. Selbst die Bezeichnung als Förderer von Leipzig stimmte. Man hätte annehmen können, Leonhardt hätte der Presse den Text vorgekaut, so sehr glich der Artikel Leonhardts Sprachschatz und dem Ermittlungsbericht. Selbst dass König Drogen im Blut gehabt hatte, stand dabei. Auch, dass seine Witwe auffallend wenig Trauer zeigte und König eine Geliebte gehabt hatte. Woher wusste das die Presse bloß? Leonhardt wäre niemals an die Presse getreten, der Maulwurf musste woanders sitzen. Aber wo? Es war nicht das erste Mal, dass Detailwissen, das Henne nicht zur Veröffentlichung freigegeben hatte, in der Zeitung erschien. Er hatte längst aufgehört, sich darüber zu wundern, aber es ärgerte ihn. Irgendwann würde er die Schwachstelle entdecken. Bis dahin musste er solche Sachen als nicht zu änderndes Übel abhaken.
Er gab Dschingis ein Zeichen, ihm zu folgen. In der Küche stellte Henne die leere Tasse in den Geschirrspüler. Da die Wurst alle war, warf er Dschingis ein Stückchen Käse zu. »Bleib lieb.« Er kraulte ihn zwischen den Ohren. Zum Dank wurde er mit dem üblichen Sabberfaden bedacht. Brummelnd wischte Henne ihn von der Hose, dann machte er sich
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