Leipziger Affären - Kriminalroman
tauchte. Ein empörtes »Huch« war die Folge.
»Mahlzeit«, sagte Henne und lächelte die beiden an. Die eine der Frauen trug eine Badekappe, die aus lauter Blüten zu bestehen schien. Ein beachtliches Exemplar. Die andere hatte eine rot-weiß gestreifte Schwimmkappe auf dem Kopf. Keine der Frauen schien jünger als siebzig zu sein.
Die mit der Blumenbadekappe rückte ein Stückchen zur Seite. »Sie sind ja ganz außer Atem, mein Lieber.«
»Das gibt sich gleich.«
»Sie sehen kräftig aus. Ja, die Jugend.«
Henne bereute schon, dass er sich ausgerechnet diese Stelle zum Ausruhen ausgesucht hatte, da schob die Frau ihre auf die Nasenspitze gerutschte Brille nach oben und musterte ihn durch die dicken Gläser. Der Ausdruck in den übergroßen blassblauen Augen jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
Er lächelte noch breiter, doch war er selbst überrascht, als es zu helfen schien. Der Blick der alten Frau ließ ihn los, allerdings nur, um weiter über seinen Körper zu wandern.
Er konnte es nicht verhindern, dass die Frau seinen Bauch, zumindest den Teil, der aus dem Wasser ragte, begutachtete und dann erneut seine Augen suchte.
»Schicke Narbe«, sagte sie und winkte in seine Richtung. Wassertropfen landeten auf Hennes Haut. »Die stammt wohl von einer Schlägerei?«
Henne blieb keine Zeit für eine Antwort, denn die Frau setzte übergangslos hinzu: »Ich bin Yvetta Magdalena Helene. Neben Ihnen ist meine Schwester Lotte.«
»Natürlich, Lotte, naheliegend.«
»Und wie heißen Sie?«
»Mustafa«, sagte Henne.
»Wie exotisch. Ich kannte mal einen Mohamed …«
»Yvi!« Lotte hob die Hand.
»Mohamed war eine Urlaubsbekanntschaft, sehr attraktiv und so freundlich. Leider hatten wir wenig Zeit füreinander, wie das eben so ist. Selbst der schönste Urlaub geht einmal zu Ende.« Yvi fuhr sich über die runzligen Lippen. »Sie sind nicht von hier, ich hätte Sie sonst bestimmt schon gesehen.«
Henne wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Er war zum Schwimmen hergekommen und nicht, um in den wie eine Mühle laufenden Redefluss einer neugierigen Dame zu geraten.
»Wie nun – sind Sie von weit her?«
Henne riss sich zusammen. »Von unheimlich weit her.« Es klang schroffer als beabsichtigt, doch er ahnte, dadurch würde Yvi sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Menschen wie sie konnten nicht den Mund halten, selbst dann nicht, wenn man ihn ihnen mit einem Korken verschließen würde. Er gab sich noch eine Minute, dann würde er eine andere Stelle suchen, an der er sich ausruhen konnte. Dumm, dass am Beckenrand keine andere Stelle frei war.
»Lassen Sie mich raten: Sie sind beruflich in der Stadt.« Yvi hatte eine Strähne von undefinierbarer Farbe unter ihrer Badehaube hervorgezupft. »Ich wette, Sie sind Musiker oder Schauspieler.«
»Yvetta!« Lottes Tonfall erinnerte Henne an seine Mutter. Doch Yvi würde genauso wie er auf den energischen Tadel nur so reagieren, indem sie auf Durchzug schaltete.
»Ich hab es! Sie sind Bodyguard«, sagte Yvi da auch schon. »Einer, der Damen begleitet. Klar, bei Ihrem Körperbau. Dass ich nicht eher darauf gekommen bin. Was halten Sie davon, wenn ich Sie engagiere?« Ihr Gebiss klackte in die alte Stellung zurück.
»Yvetta Magdalena!« Lotte griff über Henne hinweg nach dem Arm ihrer Schwester und zerrte daran. »Lass ihn in Ruhe, du siehst doch, dass er sich nicht unterhalten will.«
Eilig tauchte Henne unter und kam erst in der Mitte des Beckens wieder hoch. Selbst von dort aus konnte er Lottes Stimme noch laut hören. Offenbar ging sie heftig mit der flotten Yvi ins Gericht. Doch es war vergebens. Yvi winkte ihm zu und rief etwas übers Wasser, das nach einer Telefonnummer klang. Auf schnellstem Wege flüchtete Henne in die Umkleidekabine. Unter der Dusche merkte er, dass er seine Badelatschen am Startblock liegen lassen hatte. Er ließ sie, wo sie waren.
Er duschte in Windeseile und zog sich an. Bevor er ging, linste er vorsichtig in den Eingangsbereich. Weder von Yvi noch von Lotte eine Spur. Erleichtert machte er, dass er zum Auto kam.
Auf dem Nachhauseweg wollte er schnell noch ein paar Brötchen in der Bäckerei Mansfelder kaufen. Er stieß die Tür auf und schrak im selben Augenblick zurück. Zu spät. Gitta hatte ihn schon gesehen. Mit ausgebreiteten Armen kam sie auf ihn zu. Auf ihrem Kopf prangte ein Dutt, der dunkelrote und violette Haarsträhnen enthielt. Zu jugendlich, wie Henne fand, denn Gitta sah ungewöhnlich alt aus, richtig
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