Leipziger Affären - Kriminalroman
sorgenvoll. Dicke Ringe unter den Augen, Kummerfalten auf Nase und Stirn.
»Mensch, Henne. Was für eine Überraschung.«
»Hallo, Gitta«, begrüßte Henne sie. »Dir scheint's ja nicht gut zu gehen.«
»Man sieht es mir also schon an.«
»Nichts für ungut, aber ja. Ich sehe es.«
Gitta guckte traurig. »Stimmt, es geht mir richtig mistig. Pallauer macht uns das Leben zur Hölle.«
»Wieso hast du überhaupt etwas mit dem zu tun?«
»Seit er die SoKo leitet, macht er selbst vor dem Empfang nicht halt. Wir sollen ihn unterstützen, er beruft sich auf Schuster. Im Klartext heißt das, wir müssen mit seinen Launen auskommen.«
»Oje.«
»Gestern zum Beispiel. Es war schon spät, alle waren weg, bis auf mich. Ich hätte früher Schluss machen sollen, kann ich dir sagen. Pallauer hat mich verdonnert, einen Brief für ihn zu schreiben. Auskunftsersuchen nach irgendwo am Rande der Zivilisation. Rate mal, wie lange er mich beschäftigt hat.«
»Dreißig Minuten?«, fragte Henne. Pallauer war für seine Ausdauer bekannt.
»Zwei geschlagene Stunden.«
»Aber das ist doch bloß ein Formular.«
»War es, mein Lieber. Pallauer gefiel weder Text noch Aufbau, also musste ich das gesamte Ding überarbeiten. Sieben Mal.«
»Wenn das der Bund der Steuerzahler wüsste.«
»Wir sparen auf Teufel komm raus, was immer es kostet.« Gitta zitierte den altbekannten Scherz, doch Henne war nicht zum Lachen zumute.
»Komm, ich spendiere dir einen Kaffee«, sagte er.
»Geht nicht.« Gitta zeigte auf ihre Tasche. »Meine Sahnetorte wird warm.«
»Sahnetorte? Das klingt gut.«
»Normalerweise würde ich dir etwas abgeben. Aber in meiner Situation? Nee, ich brauche die Nervennahrung nötiger als du. Du musst den Blödmann schließlich nicht ertragen.« Gitta verabschiedete sich.
Henne war der Appetit auf Brötchen vergangen.
SECHZEHN
Fleur starrte auf das Telefon in ihrer Hand. An die zwanzig Mal hatte sie die Nummer gewählt, immer war der Anrufbeantworter angesprungen. Zum Donnerwetter noch mal, dieses Flittchen sollte gefälligst mit ihr reden!
Wütend schmetterte sie das Telefon zu Boden. Es gab einen empörten Piepton von sich, als es über die Fliesen schlitterte.
Fleur kratzte sich am Kinn. Reden, reden, echote es in ihr. Falsch, korrigierte sie sich sogleich. Nicht reden, zuhören sollte diese unmögliche Person. Für eine Frau wie sie war es unter der Würde, mit einer Miriam Jakob zu diskutieren.
Und überhaupt! Sie hatte alles sorgfältig durchdacht. Wie konnte es dieses Weib nur wagen, ihren Plan zu durchkreuzen.
Sie ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Sie hatte keinen Hunger, doch sie verspürte das drängende Verlangen, ihre Zähne in irgendetwas zu schlagen. Beißen, reißen, kauen.
Der Kühlschrank war gut gefüllt, das musste man Alexa lassen. Die achtete stets darauf, dass ordentliches Essen vorhanden war. Fleur inspizierte den Inhalt. Eisbergsalat, Eier, Tomaten, Putenfleisch, Schnittkäse. Bei der Gänseleberpastete stockte Fleur. Sie nahm sie heraus, beäugte sie und stellte sie angewidert zurück. Schließlich griff sie nach einer Tomate und biss hinein. Der Saft lief ihr übers Kinn und tropfte auf die Bluse. Sie ignorierte es und stopfte die Tomate vollends in den Mund, würgte und schluckte, kaute schließlich und schluckte wieder. Kaum hatte sie die Tomate hinter, nahm sie sich den Salatkopf vor. Es krachte, als sie Stücke herausbiss. Er war frisch. Sie aß ihn unangemacht zur Hälfte auf und warf den Rest in das Gemüsefach, um sich dem Putenfleisch zu widmen. Sie riss die Verpackung auf und holte das weiche Fleisch heraus. Es war roh, so hatte sie es gern.
Nach zwei, drei Bissen legte sie es zurück. Sie wollte etwas anderes, etwas Klebriges, Süßes. Marmelade. Sie fuhr mit Zeige- und Mittelfinger in das Glas und steckte sich die Masse in den Mund.
Ihre Wut flaute allmählich ab. Sie warf die Kühlschranktür zu und suchte das Telefon. Unter dem Schrank fand sie es schließlich und wählte die Nummer. Und wenn sie den ganzen Tag warten musste, sie würde es so lange klingeln lassen, bis sie das Flittchen zu Hause erwischte.
Als ob der Himmel ihren Wunsch gehört hätte, klang unvermittelt die Stimme dieser Jakob aus dem Hörer. »Ja?«
Damit hatte Fleur nun doch nicht so schnell gerechnet. Sie verschluckte sich vor Schreck und hustete. Dann presste sie ein Taschentuch auf die Lippen und raunte: »Du hast Dankwart König auf dem Gewissen. Das wirst du büßen.«
»Wer
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