Leipziger Affären - Kriminalroman
zuhören und im schlimmsten Fall sein Herz ausschütten. Doch so weit war es noch nicht. Noch setzte er sich zur Wehr. »Willst du auch an unserem Sexleben teilhaben?«, fragte er.
»Sei nicht albern.« Ulrike schnitt ein Brötchen auf und legte ihm ein halbes auf den Teller.
Henne trank den Kaffee und murrte: »Du brauchst mich nicht zu bemuttern. Ich bin erwachsen.«
»Groß und volljährig meinetwegen, aber erwachsen?« Sie nahm die Brötchenhälfte zurück und bestrich sie mit Butter. »Schwer vorstellbar. Käse oder Wurst?«
»Wurst.«
Dschingis reagierte sofort und legte ihm den Kopf auf den Oberschenkel.
»Für ihn auch«, sagte Henne.
»Hunde füttert man nicht vom Tisch.«
Natürlich, Ulrike und ihre Prinzipien. Trotzig pflückte Henne die Wurst vom Brot und steckte sie Dschingis ins Maul.
Ulrike tat, als hätte sie es nicht gesehen. »Erika will wissen, woran sie ist. Verstehst du das nicht?«
»Warum fragt sie mich nicht selbst?«
»Weil du ein Esel bist.«
Da hatte sie natürlich nicht unrecht, trotzdem behagte es Henne nicht, die Wahrheit aus Ulrikes Mund zu hören. »Du musst es ja wissen.«
»Hör zu, Heinrich«, Ulrike beugte sich vor und ergriff seine Hand, »ich will euch helfen. Ich mache mir Sorgen. Dieses ständige Auf und Ab in eurer Ehe macht Erika kaputt.«
»Denkst du, mir geht es anders?«
»Dann tu etwas dagegen.«
»Du hast sicher jede Menge Vorschläge für mich. Ich bin gespannt.«
»Zunächst muss du dir im Klaren sein, was du willst. Das ist der springende Punkt.«
Henne starrte Ulrike an. »Ich habe es Erika deutlich gesagt.«
»Du hast ihr gesagt, du liebst sie. Aber sie glaubt dir nicht so recht, und das kann ich gut verstehen.«
»Ach nee!«
»Vielleicht sollte ich dir eine Geschichte erzählen.«
»Nur zu.«
Ulrike lehnte sich zurück und schaute zum Fenster hinaus. »Es war einmal eine Frau, die hatte zwei Männer. Einen für die Liebe, Romantik und Sex, einen für den Gedankenaustausch, gemeinsame Theaterbesuche, Bildungsreisen. War sie bei dem einen, sehnte sie sich nach dem anderen und umgekehrt. Das ging eine Weile mehr oder weniger gut. Sie fühlte sich zwar mies dabei, uneins und zerrissen, keiner der Männer merkte etwas davon. Eines Tages hatte sie einen schweren Unfall. Sie fand sich im Krankenhaus wieder, und da standen beide an ihrem Bett. Bis dahin hatten die beiden nichts voneinander gewusst. Was, glaubst du, ist dann passiert?« Ulrike schaute Henne an. »Sie haben beide mit ihr Schluss gemacht, und seitdem ist sie allein.«
Henne erinnerte sich dunkel, dass Erika ihm vor Jahren von Ulrikes Unfall erzählt hatte. »Du redest von dir.«
»Korrekt. Pass auf, dass es dir nicht ebenso ergeht.«
»Nett, dass du dich um mich sorgst. Gerade eben hast du noch Erika vorgeschoben.«
»Du bist wirklich ein Esel.« Ulrike lächelte. »Ich mag euch beide.«
Henne lächelte zurück. Im Grunde war Ulrike in Ordnung. Sie schien nicht zu wissen, weshalb Erika ihn verlassen hatte. Ob er ihr alles erzählen sollte? Warum eigentlich nicht, er hatte nichts zu verlieren. Er holte tief Luft, und dann begann er zu reden: von seinem Zwiespalt, seinen Gefühlen, Erikas Kinderwunsch und der Sackgasse, in der er mit dem Mordfall steckte, obwohl er suspendiert war und sich eigentlich nicht mehr darum zu kümmern hatte.
Er war dankbar, dass ihn Ulrike nicht unterbrach, sondern nur zuhörte und dafür sorgte, dass seine Kaffeetasse nicht leer wurde.
»Deinen Job bist du vermutlich los«, sagte sie, als er endlich schwieg. »Zumindest, wenn es dir nicht gelingt, einen Treffer zu landen, der deinen Boss vom Gegenteil überzeugt. Aber das musst du alleine geradebiegen. Dabei wirst du dich dieser Miriam stellen müssen. Schenke ihr reinen Wein ein, erzähl ihr von Erika. Sag ihr, dass du verheiratet bist. Um Erika kümmere ich mich. Vielleicht kann ich sie davon überzeugen, dass du sie wirklich noch liebst.«
Henne bekam feuchte Hände. Sein Herz klopfte wie damals, als er Erika kennengelernt hatte. Ulrike war Erikas beste Freundin. Wenn Erika auf jemanden hörte, dann auf sie. »Das würdest du tun?«
»Wir Frauen mögen Wellness-Wochenenden. Erika ist da keine Ausnahme. Zeig ihr, dass es dir ernst ist.«
»Danke für …«
Ulrike lachte auf. »Höre ich da einen Anflug von Menschlichkeit? Glaub nicht, dass ich nicht wüsste, wie du über mich denkst. Du hältst mich für eine neunmalkluge Emanze, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als auf ihren
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