Leipziger Affären - Kriminalroman
dass sich dort ihr Büro befand. Sie war eine füllige Person, aber überaus behände. Schon war sie im Begriff, hinter einer wuchtigen Schrankwand zu verschwinden, da hielt Henne sie zurück.
»Ich habe schon entdeckt, was ich möchte.«
Königs Schreibtisch stand zwischen zwei Bücherregale mit Tatzenfüßen gedrängt. Dahinter befanden sich das Sideboard und der Büroschrank, beides wie der Schreibtisch aus poliertem Holz und mit unverwechselbaren Intarsien versehen. Man sah auf Anhieb, dass die Möbelstücke zusammengehörten.
»Wenn Sie einen Bezugsschein haben, können Sie sie kaufen«, sagte Frau Ballert und zauberte einen Stift aus ihrer Jackentasche.
»Ich suche die Unterlagen, die in den Schränken waren.« Zum zweiten Mal an diesem Tag wies sich Henne nicht ganz korrekt als Polizist im Dienst aus.
»Der Inhalt der Schränke ist schon zerschreddert und entsorgt. Die Leipziger Stadtreinigung hat den Abfall abgeholt.«
»Das ging aber fix.« Henne hatte schon erlebt, dass die Mitarbeiter der Stadtreinigung tagelang auf sich warten ließen. Vor allem, wenn es darum ging, die Leipziger Straßen im Winter von Schnee und Eis zu befreien.
»Der Müll wird immer dienstags geholt.«
»Wissen Sie, wo die Technik geblieben ist? Computer und so?«
Frau Ballert musste nicht lange überlegen. »Den PC habe ich erst gestern verkauft. Ein junger Mann hat ihn mitgenommen.«
»Kennen Sie seinen Namen und die Adresse?«
»Warten Sie einen Augenblick, ich sehe mal nach.« Sie verschwand in ihrem Büro und kam kurz darauf zurück.
»Paslik, heißt der Mann. Jörg Paslik.«
Mit der Adresse in der Tasche machte sich Henne auf den Weg. Er kam sich wie ein Goldgräber vor, der zwar nicht auf den ganz großen Fund, aber immerhin auf ein Nugget gestoßen war.
Jörg Paslik hauste am anderen Ende der Stadt in einem Mehrfamilienhaus, das die Bezeichnung kaum verdiente. Das Dach wies undichte Stellen auf, ein grünes Netz schützte Passanten vor herabfallenden Ziegeln, und das Mauerwerk war notdürftig mit einigen grauen Planen gesichert.
Paslik war der Einzige, der noch in dem Haus wohnte. Wahrscheinlich hauste er illegal hier, auf ein Namensschild hatte er jedenfalls verzichtet. Ein geöffnetes Fenster im ersten Stock, aus dem eine Gardine hing, zeigte Henne, in welchem Stockwerk Paslik wohnte.
Er zwängte sich durch die schief in den Angeln hängende Haustür und kletterte über Steine und Putzbrocken ins Obergeschoss. Die Treppe knarrte bei jedem Schritt bedenklich, doch sie hielt Hennes beträchtlichem Gewicht stand.
Im ersten Stock angekommen, hämmerte er an die Wohnungstür. Es war eine große, zweiflügelige Tür aus Holz mit geriffelten Milchglasscheiben, die zum Treppenhaus hin durch Metallgitter geschützt waren. Die rechte Scheibe hatte einen Sprung. Der beige Anstrich der Tür war an vielen Stellen abgeblättert und gab den Blick auf darunter liegende Farbschichten frei. Auch hier fehlte ein Namensschild.
Henne sparte sich lange Überlegungen und stemmte sich kurzerhand mit der Schulter gegen die Stelle, an der die Flügel der Tür aufeinandertrafen. Wie erwartet sprang sie ohne großen Widerstand auf. Der Weg war frei.
Henne fand Paslik im zweiten Zimmer rechts von einem Korridor, der mit Sperrmüll vollgestellt war.
Der junge Mann lag auf einer Matratze, die keinen Deut sauberer als die restliche Wohnung war. Er schien vor sich hin zu träumen. Neben ihm lagen einige leere Bierbüchsen und ein benutztes Fixerbesteck. Paslik hatte langes, verfilztes Haar, das ihm ins Gesicht hing. Er hielt seine dürren Arme vor der Brust verschränkt, als wäre er im Gebet.
Henne kickte die Spritze beiseite. »Bisschen viel, mein Junge, was?«
Er bekam nur ein undeutliches Murmeln zur Antwort.
Henne ging neben der Matratze in die Hocke. »Du hast etwas, das ich suche«, sagte er. »Ich will den PC , den du beim DRK ergattert hast.«
Paslik verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Dann sackte er auf die Seite.
Henne erhob sich. »Mensch, ist der fertig.«
Der Computer stand hinter der Tür, deswegen hatte er ihn beim Hereinkommen nicht sofort gesehen. Henne fingerte fünf Zehn-Euro-Scheine aus der Geldbörse und legte sie auf das Kopfkissen neben den jungen Mann. Es war ein gutes Geschäft für den Jungen, auch wenn er das Geld sicher nur in Bier und Stoff anlegen würde.
Henne klemmte sich den PC samt Monitor und Tastatur unter den Arm und ging. Auf der Treppe stolperte er über einen Eimer.
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