Leipziger Affären - Kriminalroman
oder von der Steuerfahndung?« Sellings Worte ließen vermuten, dass seine Buchführung nicht in Ordnung war.
»Keine schlechte Idee.« Henne wandte sich an Leonhardt. »Was meinst du, sollen wir der SteuFa einen Tipp geben?«
»Schon gut«, sagte Selling. »Vielleicht kann ich Ihnen ja doch helfen.« Die roten Flecken hatten sich über sein ganzes Gesicht verteilt.
Henne starrte ihn an. Sellings plötzliche Bereitschaft überraschte ihn. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. »Na bitte, versuchen wir es«, sagte er schließlich. »Was haben Sie ihm geliefert?«
Selling wich Hennes Blick aus, trat an das Regal und zog einen Ordner heraus. Er knallte ihn auf den Tisch.
Henne griff sich den Ordner und schlug ihn auf. Er überflog die Registratur auf den Zwischenblättern, die die einzelnen Vorgänge voneinander trennten. Was er sah, gefiel ihm nicht. Überall standen unübersichtliche Abkürzungen, die er nicht kannte. Die Wirtschaftsprüfer würden sicher mehr damit anfangen können.
»Ist das alles?«, fragte er.
»Das ist der Hauptordner, aber es gibt noch andere Unterlagen.« Selling deutete auf das Regal.
»Erklären Sie mal fix, was Sache ist.« Henne schob den Ordner zu Selling hinüber.
Selling lehnte sich zurück. »Ich nehme an, Sie können lesen.«
Die Adern an Hennes Schläfen traten hervor. »Heißt das, Sie wollen uns nicht helfen? Also doch Steuerfahndung.« Er gab Leonhardt einen Wink.
Leonhardt beugte sich über den Tisch und angelte nach dem Ordner.
»Moment.« Selling ging durch die Seiten. »Hier sind die Lieferscheine.«
Leonhardt reckte den Hals und las die Summen. »Donnerwetter. Da ist einiges zusammengekommen.«
»Hat König immer pünktlich bezahlt?«, fragte Henne.
Selling zögerte. Seine Finger spielten mit der Ecke eines Lieferscheines.
»Meine Güte! Lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen«, sagte Leonhardt ungeduldig.
»Bis jetzt habe ich keinen Cent gesehen«, sagte Selling leise. Er strich den Lieferschein glatt und schlug den Ordner zu.
»Äußerst ungewöhnlich unter Freunden, finden Sie nicht?«
»Man hilft sich gegenseitig.«
Es war keine besonders glaubwürdige Ausrede. Selling könnte sich wenigstens Mühe geben, ihnen zumindest eine halbwegs überzeugende Erklärung aufzutischen. Er schien sie für dumm zu halten. Zeit, den Unternehmer in die Schranken zu weisen. Henne sagte: »Das ist sehr großzügig von Ihnen. Fünfhunderttausend macht nicht jeder locker.«
»Dankwart hätte es schon noch beglichen.«
Henne zuckte mit den Schultern. Selling schien das als Zustimmung aufzufassen. Er nickte heftig. »Bei jedem anderen wäre ich mir nicht sicher. Aber nicht bei Dankwart König.«
»Warum eigentlich nicht?«
»Ich habe ihm vertraut, er hat mich noch nie betrogen. Außerdem wusste ich, dass er genug zu tun hatte. Selbst wenn er momentan nicht bei Kasse war, ich konnte sicher sein, dass das Geld wieder reinkommt. Bei Dankwart musste man nur Geduld haben.«
»Ich staune«, sagte Henne und log nicht einmal dabei.
»Dankwart hatte nur seriöse Auftraggeber. Er musste keine Ausfälle befürchten.«
Leonhardt tippte auf den Ordner. »Hat die Stadtverwaltung auch zu seinen Auftraggebern gehört?«
»Unter anderem. Dankwart hat schon immer einen guten Draht nach oben gehabt. Ich weiß nicht, wie er das hingekriegt hat, aber es war einfach so. Die Aufträge der Stadt waren ihm jedenfalls sicher, einschließlich pünktlicher Zahlung.«
Seit wann konnte jemand davon ausgehen, dass nur er von der Stadtverwaltung beauftragt wurde? Wenn das nicht nach Bestechung klang … Henne schob das Kinn vor. »Ich habe etwas von Vergabeverfahren gehört.«
Selling rieb sich die Nase. »Wenn Dankwart einen Auftrag wollte, hat er ihn auch bekommen.«
»Hat er Schmiergeld gezahlt?«
»Keine Ahnung.« Selling ließ die Hand sinken. Seine Nase war nun genauso rot wie sein übriges Gesicht. »War's das?«
Henne winkte Leonhardt und stand auf.
»Wir werden Ihre Angaben überprüfen. Ich bin mir sicher, wir sehen uns wieder.«
Selling hoffte vermutlich das Gegenteil. Als sie sein Büro verließen, fing Henne seinen Blick auf, eine Mischung aus Verzweiflung und Wut.
Auf dem Rückweg ins Büro telefonierte Henne mit Frank. »Nimm dir die Arbeiter von Königs Firma vor. Auf meinem Tisch dürfte eine Liste mit den Namen liegen. Und vergiss die Rentenversicherung nicht. Die Krankenkassen müssen auch befragt werden.«
»Was ist mit dem Hauptzollamt?
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