Leipziger Affären - Kriminalroman
Zeiten, in denen man nur mit Beziehungen weiterkam, sollten endgültig ausgemerzt werden. Zu vieles erinnerte ihn an alte Gewohnheiten. Orangen gegen ein Toilettenbecken, Schuhe gegen eine Genossenschaftswohnung. Wer etwas hatte, tauschte es gegen ein nicht minder begehrtes Gut. Marktwirtschaft im Kleinen hatte man das damals genannt.
Heute konnte man alles kaufen, möglicherweise auch einen deutschen Beamten, vorausgesetzt, man hatte Geld.
König hatte kein Geld mehr gehabt. Musste er deshalb sterben? Hennes Narbe meldete sich mit einem bohrenden Schmerz.
»Hören Sie, mein Geschäft läuft gut. Ich bin gefragt, bundesweit. Nur in Leipzig, da will man mich nicht haben«, sagte Zogstädt.
Henne ignorierte die Narbe. »Ihre Fahrzeuge sind oft in der Stadt.«
»Ich habe viele Kleinaufträge, private Bauherren, mal eine Reparatur, mal ein Umbau. Aber Großaufträge, zum Beispiel von der Stadtverwaltung, sind hier nicht drin.«
»Die werden ihre Gründe haben.« Es wurde Zeit, dass Zogstädt sagte, was er tatsächlich wollte.
»Von Anfang an hat die Stadt versucht, mir was ans Zeug zu flicken. Von angeblich unerlaubter Werbung bis Verstoß gegen die sonntägliche Ruhe. Den ganzen Mist habe ich schon durch. Von den Knöllchen der Politessen will ich gar nicht reden. Können Sie mir mal sagen, wie wir Handwerker Baustoffe und Werkzeug ausladen sollen, wenn überall Halteverbotsschilder stehen?«
»Wie machen es denn die anderen?«
Zogstädt stieß mit dem Finger in Hennes Richtung. »Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die haben einen Freibrief. Nur auf mich wird Jagd gemacht. Wahrscheinlich bin ich denen zu unbequem.«
»Wieso?« Henne zog die Augenbrauen nach oben.
»Ich lasse mir nichts gefallen. Schicken mir die Rathausköppe einen Bescheid, gehe ich in Widerspruch. Immer, schon aus Prinzip.«
»Zurück zu König«, sagte Henne. »Sie vermuten einen Bestechungsskandal, können es aber weder beweisen, noch haben Sie überhaupt Anhaltspunkte. Alles aus der Luft gegriffen. Das klingt für mich nach Futterneid.«
»Von wegen! Das habe ich ja bereits gesagt, ich bin überall tätig. König war bundesweit ein Niemand. Bis auf Leipzig, hier hat er sich als großer Baulöwe aufgespielt. Hier hat er alle großen Aufträge abgekriegt. Wenn das nicht verdächtig genug ist, weiß ich auch nicht weiter.«
Es war eine logische Schlussfolgerung, das musste Henne zugeben. »Ich werde dem nachgehen.«
Zogstädts Telefon klingelte. »Kann ich?«, fragte der Bauunternehmer.
Henne nickte. »Wir sind ohnehin fertig.« Im Hinausgehen klangen ihm noch immer Zogstädts Worte im Ohr: In Leipzig hat sich König als Baulöwe aufgespielt.
Im Büro durchforstete Leonhardt das Behördenverzeichnis. Als Henne eintrat, hing er am Telefon. Henne ließ sich in seinen Sessel fallen und wartete, bis Leonhardt aufgelegt hatte.
»Zogstädt, Bauunternehmer wie König, verdächtigt die Stadtverwaltung, König bevorzugt zu haben«, sagte Henne.
»Was bezweckt er damit?« Leonhardt spielte mit einem Kugelschreiber.
»Er will den Filz zerschlagen, sagt er.«
»Ein lobenswerter Vorsatz, doch damit hätte er nicht bis jetzt warten müssen.«
»Wenn er etwas mit Königs Tod zu tun hat, ist es eine gute Ablenkung.«
»Ich weiß nicht.« Leonhardt rümpfte die Nase. »Ich werde den Verdacht nicht los, dass er uns nur vor seinen Karren spannen will.«
»Sieh zu, dass du ihn durchleuchtest. Vor allem seine Firma.«
»Im Wirtschaftsdezernat liegt nichts gegen ihn vor.«
»Ach?« Henne war überrascht. Leonhardt hatte wieder einmal schneller als erwartet mitgedacht.
»Ich hab mich erkundigt, während du unterwegs warst.« Mit einem Lächeln legte Leonhardt den Kuli beiseite.
»Na schön. Dann kommt als Nächstes der Baudezernent dran, Kommering. Er muss mit uns kooperieren.«
»Morgen hast du die Chance.«
»Glaubst du, er weiß etwas?«
»Kann schon sein.«
»Ein guter Chef bekommt vieles mit.«
»Hm.« Leonhardt hörte nur mit einem halben Ohr hin. Er war längst in das Inhaltsverzeichnis der Ordner aus Königs Wohnung vertieft, das Frank inzwischen geliefert hatte.
»Planänderung, wir machen es heute.«
»Hm.« Dann begriff Leonhardt. »Was? Heute?«
»Bingo, mein Freund.«
»Wenn das mal gut geht.«
»Verlass dich auf mich, ich weiß, was ich tue.«
»Eben«, brummte Leonhardt.
»Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen«, schnarrte Frank, als Henne ihm schnell Bescheid sagte.
»Wen denn?« Dann sah Henne das Zucken um
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