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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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hören wollte, küsste sie auf die Wange, trat einen Schritt zurück und betrachtete ihren langen, schwarzen Taftrock, die ärmellose weiße Leinenbluse und die Jettperlen, ehe er sagte: »Perfekt. Genau das richtige Outfit für eine Ausstellung mit dem Titel ›Leise kommt der Tod‹.«
    »Okay. Seid ihr so weit?«, fragte Ian und nahm ihre Hand.
    Sie sah ihn an. »Findest du mein Outfit nicht zu… schräg?«
    Er zögerte einen Moment, und dieses Innehalten reichte bereits aus, um ihre Unsicherheit wiederaufleben zu lassen. Sie wusste, dass Ian ihre Vorliebe für den Vintage-Look nicht immer teilte. »Nein. Du siehst gut aus. Sehr hübsch.« Er küsste sie auf die Stirn und lächelte.
    »Okay, wir sollten jetzt vielleicht reingehen.« Sie hatte immer noch das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Nachdenklich betrachtete sie die Transparente, auf denen die Ausstellung angekündigt wurde, und für einen kurzen Moment war sie sehr glücklich. Fast drei Jahre hatte sie mit den Vorbereitungen
für diese Ausstellung verbracht. In gewisser Weise war sie ein Querschnitt ihrer gesamten Karriere. Und dann, ebenso plötzlich wie die Welle der Freude sie überrollt hatte, überkam sie auf einmal ein Gefühl innerer Leere. Es war geschafft. Doch was kam jetzt?
    Direkt hinter der Tür stand Olga, nahm Mäntel und Jacken entgegen und wies den Gästen den Weg zum Buffet. Sie sah hübscher aus, als Sweeney sie normalerweise kannte. Ihr graues Haar war leicht gewellt - hatte sie es legen lassen? -, und die schwarze Hose und die weiße Bluse verliehen ihrem eher kräftigen Körper Eleganz. Der tiefe Ausschnitt der Bluse betonte ihren schön geschwungenen Nacken und den alabasterweißen Hals. Sweeney kannte sie nur in dem schäbigen Arbeitskittel, den sie zum Saubermachen trug. Doch nun wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass Olga früher sehr hübsch gewesen sein musste.
    Sweeney begrüßte sie, und Olga nahm sie mit einem Kopfnicken zur Kenntnis, das abschätzend wirkte, was vielleicht daraus resultierte, dass sie sehr beschäftigt war. Hinter ihnen hatte sich eine Schlange gebildet, deshalb hakte sie sich bei Ian und Toby ein und führte sie zu dem langen Tisch, auf dem Cracker, Käse und hübsch dekorierte, aber geschmacklich wenig beeindruckende Häppchen aus der Universitätsküche bereitstanden.
    Sie wanderten weiter zu den Drinks - Sweeney war viel zu nervös, um einen Bissen runterzubringen - und entdeckten Fred und Lacey Kauffman, die sich mit Harriet und einigen von Sweeneys Kollegen aus der kunstgeschichtlichen Fakultät unterhielten.
    Harriet lächelte schmal und sagte: »Wirklich sehr nett« zu Sweeney, wobei sie ihre perfekt gestylte Frisur befingerte, um sich zu vergewissern, dass noch jedes Haar am rechten Platz saß.
    »Danke, Harriet.« Sweeney hatte sie nie zuvor bei einer Veranstaltung
erlebt und war nicht weiter verwundert darüber, dass sie sich hier offenbar genauso unwohl fühlte wie bei der Arbeit. Harriet entschuldigte sich, und Sweeney atmete erleichtert auf.
    »Warum habe ich nur immer das Gefühl, als könne mich Harriet nicht ausstehen?«, fragte Lacey. Sweeney war die große, hübsche Frau aus Quebec sehr sympathisch. Sie fertigte exklusive, handgestrickte Pullover an, die in Boutiquen von Boston und Cambridge verkauft wurden. Sweeney hatte einmal mit dem Gedanken gespielt, sich einen dieser wunderschönen Pullis zu kaufen, bis sie herausgefunden hatte, dass selbst die günstigsten um die fünfhundert Dollar kosteten.
    »Hallo, Frau Kuratorin«, begrüßte Fred sie mit breitem Lächeln. Als Sweeney sich vorbeugte und ihn auf die Wange küsste, bemerkte sie seinen nachdenklichen Blick. Mit dem schokoladenfarbenen Leinenanzug sah er noch mehr wie ein Bär aus, als er es ohnehin schon tat, wobei seine Körpergröße und der runde Bauch eher an einen Teddybären denn an einen Grizzly erinnerten. Sein lockiges graues Haar musste dringend geschnitten werden.
    Sweeney stellte ihn Toby vor und umarmte Lacey, die Ian sofort in ein Gespräch über seine Arbeit verwickelte. Sie hatte die besondere Gabe, ihren Gesprächspartnern das Gefühl zu geben, wichtig zu sein, und Sweeney beneidete sie darum. Nach einer Unterhaltung mit Lacey Kauffman fühlte man sich gleich viel wohler in seiner Haut. Sweeney bemerkte, wie Fred seine Frau ansah und seine Gesichtszüge sich einen Moment lang entspannten, ehe er wieder einen konzentrierten Blick aufsetzte. Lacey, immer noch in das Gespräch mit Ian vertieft, griff nach seiner

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