Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarit Graham
Vom Netzwerk:
haben.“
       Jetzt wandte sich Josh um. Sein Blick war starr auf den Vater gerichtet. „Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen", sagte er emotionslos. Sein Blick verschleierte sich. „Du hast alles zerstört, doch die Vergangenheit wird dich einholen, wohin du auch gehst." Sein Gesicht veränderte sich plötzlich.
       Gregory Simpson stand vor dem Lager seines Sohnes und blickte auf den Jungen hinunter. Er schwankte, denn der Alkohol umnebelte sein Gehirn. Das Bild vor seinen Augen verzerrte sich, und plötzlich lag nicht Joshua da, sein Sohn, sondern ein hübsches kleines Mädchen mit schwarzen Locken und großen Augen, das ihn vorwurfsvoll zu mustern schien.
       Mit einem Entsetzensschrei riss der Mann die Hände an den Kopf, und seine Finger verkrallten sich in den Haaren. „Verschwinde!“, brüllte er, und seine Stimme gellte durchs Haus. „Verschwinde endlich und lass mich in Ruhe." Er taumelte zurück, stieß an einen Stuhl und wäre wohl umgefallen, wenn nicht der Tisch seinen Sturz gebremst hätte.
       Erschrocken richtete sich Joshua auf. „Dad, was ist denn?" Jetzt war er wieder der einsame zwölfjährige Junge, der all die Jahre vergeblich um die Liebe seines Vaters gekämpft hatte. „Was hast du denn?" Er begann zu husten, versuchte jedoch, den Anfall zurückzudrängen.
       Greg kam zu sich. „Was ist mit dir, Josh?“, fragte er mit weinerlicher Stimme. „Du hast eben anders ausgesehen. Du... bist..." Er rappelte sich auf, stützte sich schwer auf den Tisch auf und griff nach der Alkoholflasche. Mit einer Kraft, die man ihm nicht zugetraut hätte, schmetterte er sie gegen die Wand. Klirrend fielen die Scherben zu Boden, und über die helle Tapete lief die bräunliche Flüssigkeit.
       Schuldbewusst stand er dann vor seinem Sohn und senkte den Kopf. „Es tut mir leid, Joshua", krächzte er, und man konnte ihm ansehen, dass er es auch so meinte. „Ich hätte mich nicht so gehen lassen sollen.“
       Joshs Atem ging schwer. „Du hättest nicht wieder mit Trinken anfangen sollen." In seiner Stimme lag ein Vorwurf, der seinen Worten besonderes Gewicht verlieh. „Du wolltest doch nicht mehr trinken. Sicher wollte Mary dich deshalb nicht heiraten." Seine Augen schwammen in Tränen. Er hob die Hand und streckte sie seinem Vater entgegen. „Nimm das", sagte er mit sonderbarer Stimme. „Vielleicht hilft es dir, dein Leben zu ändern.“
       Greg griff nach dem Gegenstand, den sein Sohn ihm reichte. „Was ist das?“, keuchte er und erwartete anscheinend Grund für neues Entsetzen. „Ein blühender Rhododendren-Zweig?" Er schüttelte den Kopf. „Die Sträucher blühen um diese Zeit noch gar nicht. Woher also hast du ihn?“
       Josh lächelte. „Ein Mädchen hat ihn mir gegen, als ich vorhin auf Anne wartete. Sie setzte sich zu mir und gab mir den Zweig. Ich solle ihn dir bringen, sagte sie, doch ich wollte ihn zuerst lieber behalten.“
       „Kennst du das Mädchen? Ist es an unserer Schule? Wie ist sein Name?" Der Mann fühlte sich wie in Eiswasser getaucht.
       Josh biss sich auf die Lippen. „Belinda", sagte er leise. „Belinda wohnt bei den Klippen. Das hat sie mir verraten.“
       Greg schien noch immer nicht zu begreifen. „Niemand wohnt bei den Klippen", sagte er und hatte Mühe, seine Gedanken zusammenzuhalten. Die Wirkung des Alkohols setzte jetzt mit aller Kraft ein. Er hielt den blühenden Zweig höher, um ihn besser betrachten zu können. Doch kaum hatte Josh seine Hand davon zurückgezogen, zerfiel er in lauter kleine Stückchen. Nur die roten Blüten blieben ganz. Und als Greg sie genau ansah erkannte er, dass sie ganz trocken waren. Nein, nicht trocken. Sie waren mumifiziert.
       Gregory Simpsons Gesicht war totenblass. Noch immer starrte er auf die Blüten, als könne er nicht fassen, was er da sah. Plötzlich jedoch knickten seine Beine unter ihm weg und er fiel lautlos zu Boden. Einige der Blüten, die er noch in der Hand gehalten hatte, blieben auf seiner Brust liegen.
       Joshua erhob sich, ging wie im Traum an seinem Vater vorbei zum Fenster und öffnete weit beide Flügel. Noch immer tobte draußen der Sturm. Doch den Jungen störte es nicht. Mit letzter Kraft schleppte er sich zu der Liege zurück und sank matt darauf nieder. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke.
       Eine einsame Flöte spielte eine schwermütige Melodie. Der Wind trug ihren Klang zum geöffneten Fenster herein, wo die Töne immer lauter

Weitere Kostenlose Bücher