Leise weht der Wind der Vergangenheit
dorthin. Ich bin ihn vor vielen Jahren einmal gegangen. Vielleicht finde ich ihn ja wieder. Traust du dich?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nicht heute", antwortete Anne ausweichend. „Wir dürfen nicht mit leeren Händen kommen.“
„Du hast ja recht." Josh griff wieder nach Annes Arm und zog sie mit sich fort. „Wenn ich noch länger nach unten starre, muss ich doch in die Höhle gehen. Überleg es dir, Anne. Schon seit Jahren will ich einmal hineingehen, doch allein hab ich mich nie getraut.“
„Nicht heute", wiederholte das Mädchen mit eindringlicher Stimme. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt." Ihre Worte duldeten keinen Widerspruch. Entschlossen schob sie die Hände in die Taschen ihrer Cordhose und stapfte mit gesenktem Kopf los.
„Mary wird schon warten", sagte sie nach einer Weile und blickte Josh an. „Kommst du noch mit hinein? Meine Schwester mag dich.“
„Ich mag sie auch", stimmte Josh zu, doch mit seinen Gedanken war er noch immer bei der Höhle.
Das Rauschen des Meeres war kaum mehr zu hören. Der Weg wurde langsam besser, und die beiden Kinder waren auch nicht überrascht, als ihnen zwei hübsche Esel begegneten, die gelangweilt am Wegrand standen und sie gleichgültig musterten.
„Sind die nicht niedlich?" Anne blieb vor dem helleren der beiden Tiere stehen und hob die Hand, um es zu streicheln.
„Vorsicht, die beißen manchmal", warnte Josh.
Anne lächelte nur. „Mich bestimmt nicht", antwortete sie sanft und begann, das Tier am Kopf zu streicheln. Zuerst wich der kleine Esel ein wenig zurück, doch dann betrachtete er das Mädchen aus großen tiefbraunen Augen, während er offensichtlich ihre Berührungen genoss.
„Du bist etwas Besonderes, Anne", stellte Josh fest und setzte sich wieder in Bewegung. „Komm jetzt, deine Schwester wird sich sonst Sorgen machen.“
Nur widerwillig folgte ihm Anne. Zu gern wäre sie noch eine Weile bei den beiden Eseln geblieben und hätte mit ihnen gesprochen. „Sie haben so kluge Augen", sagte sie nur, als sie den Freund eingeholt hatte. „Ich habe mir immer ein eigenes Tier gewünscht, einen Hund oder eine Katze vielleicht. Doch meine Eltern erlaubten es nie. Und dann, als sie tot waren, wurde ich bald darauf krank. Zum Glück haben wir auf dem Flohmarkt Britta gefunden.“
Sie waren bei Maureens House angekommen. Marys Auto stand vor der Tür, und aus dem halb geöffneten Fenster drang appetitlicher Essensduft.
Anne lächelte. „Sie hat bereits gekocht", sagte sie leise. „Willst du zum Essen bleiben? Ich bin sicher, Mary hat
nichts dagegen.“
Der Junge lehnte dankend ab. „Ich will sie nur kurz begrüßen, dann muss ich heim. Dad kann sehr böse werden, wenn ich mich verspäte." Josh folgte seiner Freundin ins Haus. Er betrat die kleine Küche, reichte Mary die Hand und fragte sie höflich nach ihrem Ergehen.
Mary, die den Jungen vom Unterricht her kannte und sich auch nicht mehr wunderte über seine etwas altmodische Höflichkeit, gab ebenso freundlich Antwort und fragte nun ebenfalls, ob er nicht zum Essen bleiben wolle. Doch wieder lehnte Josh ab.
„Ich will ihm nur rasch Britta vorstellen", entschied Anne und zog ihren neuen Freund mit sich fort. „Das ist sie." Sie deutete auf die hübsche Puppe, die auf ihrem Bett lag. „Sag Britta auch guten Tag.“
Josh wurde ganz eigenartig zumute. Normalerweise hätte er Anne ausgelacht, denn er war schließlich ein Junge. Und ein Junge spielte nun mal nicht mit Puppen.
Von Britta jedoch ging eine ganz eigentümliche Macht aus, der Josh sich nicht entziehen konnte. Mit einem Mal fühlte sich sein Körper so schwach an, dass er sich aufs Bett setzen musste. Zögernd griff er nach der Puppe und nahm sie hoch. Sein Blick hing wie festgefroren an dem hübschen Gesichtchen. Ihm war zumute, als würde er aus seinem eigenen Körper schlüpfen wie aus einem fremden Kleidungsstück, das ihm ohnehin zu klein war.
„Ich habe lange auf dich gewartet", sagte er mit monotoner Stimme. „Jetzt bist du endlich da." Noch immer hielt er die Puppe fest.
Anne beobachtete ihn lächelnd. „Hab ich dir zuviel versprochen?“, fragte sie leise.
Josh kam wieder zu sich. Hastig warf er die Puppe in die Kissen zurück und sprang auf. „Ich muss heim." Er war so verwirrt, dass er sogar vergaß, sich von Mary zu verabschieden. Wie von tausend Teufeln gejagt stürzte er aus dem
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