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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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erhalten: die »Viagra-Werbung«, ihr vereinbartes Signal für ein Treffen im Annandale Golf Club. Doch Dr. Tarver hatte sich nicht in dem Club blicken lassen. Auch war er nicht die siebzig Kilometer zum Chickamauga Hunting Camp gefahren, trotz der Aluminiumfolie, die seit gestern hell glitzernd im Fenster des sechzehnten Stocks des AmSouth Towers hing. Er kicherte bei der Vorstellung, dass Andrew Rusk in der drückenden Hitze des Chickamauga stand und auf die Ankunft von jemandem wartete, der nie kommen würde. Rusk machte sich wahrscheinlich in die Hosen, weil er den neuen potenziellen Klienten an der Angel hatte, von dem er beim letzten Treffen erzählt hatte. Rusk lebte für Geld, für den Status, den es ihm seiner Meinung nach bescherte, und er würde alles tun, um immer mehr davon zu kriegen. Selbst wenn das Risiko dabei täglich zunahm, konnte er an nichts anderes denken als an den nächsten großen Fisch.
    Dr. Tarver wusste, dass der nächste große Fisch niemals kommen würde.
    Die Zusammenarbeit mit Rusk war vorbei.
    Die Injektion, die er Christopher Shepard gegeben hatte, war der Schlusspunkt gewesen. Eldon hätte gerne noch ein oder zwei Jahre weitergemacht, doch es war sinnlos, deswegen zu jammern. Es war Zeit, dass er weiterzog. Er hatte bereits damit angefangen, dass Primatenlabor aufzulösen. Die Hundezucht würde er verkaufen; er hatte seit einiger Zeit einen Interessenten, der nur auf ein Angebot wartete.
    Damit blieb nur ein einziges Problem: Andrew Rusk.
    Seit nunmehr fünf Jahren hatten Tarver und der Anwalt einen Fluchtplan parat, der es ihnen gestatten würde, die Vereinigten Staaten zu verlassen und den Rest ihrer Leben in Sicherheit und relativem Luxus zu verbringen. Das einzige Problem mit diesem Plan war – bis vor kurzem –, dass keiner von beiden die Vereinigten Staaten wirklich verlassen wollte. Die Hoch-Zeiten von Nichtauslieferungs-Paradiesen wie Teneriffa und Costa Rica waren längst Vergangenheit. Das diplomatische Korps hatte wie ein emsiger Bienenstock gearbeitet, um jedes noch so kleine Schlupfloch zu verschließen, das Steuerflüchtlingen ermöglichte, auf Inselparadiese zu entkommen – und indem sie dies getan hatten, waren die Türen auch für Kriminelle anderer Couleur verschlossen worden.
    Andrew Rusks Fantasien von gefrosteten Margaritas und willigen Señoritas waren einen raschen Tod gestorben, sobald sie einen genaueren Blick auf die Angelegenheit geworfen hatten. Sicher, es gab auch heute noch Orte, die nicht mit Uncle Sam spielten – Höllenlöcher wie Mali oder Tschad oder Burundi. Wenn man lukrative Verbrechen begehen und ungeschoren davonkommen wollte, musste man schon kreativer sein.
    Indem Tarver seine Verbindungen zum Geheimdienst benutzte, die bis in die späten 1960er zurückreichten, hatte er einen einzigartigen Handel für sich und Rusk ausgearbeitet, würdig der gierigen Fantasien des Anwalts. Nicht würdig allerdings eines Wissenschaftlers aus Überzeugung. Nicht mehr. Dr. Tarvers primäres Ziel war nicht, seine angesammelten Reichtümer auf die hedonistischste Art und Weise auszugeben, die man sich vorstellen konnte. Er hatte ein Forschungsprojekt am Laufen, und um es abzuschließen, musste er in den Vereinigten Staaten bleiben. Seine In-Vivo-Subjekte wohnten schließlich ebenfalls in den USA. Mehr noch, fünf Jahre der Zusammenarbeit mit Andrew Rusk hatten ihn zu der Überzeugung gelangen lassen, dass er den Anwalt nie wieder sehen wollte. Rusk war eine wandelnde Zeitbombe, ein Unsicherheitsfaktor hoch drei. Eldon sah ihn vor sich, wie er mit einem Regenschirmchen-Drink in der Hand an einer Bar saß und gegenüber einem im Ausland lebenden Stadtentwickler oder dem Boss eines Plattenlabels prahlte, wie er den Reichen und Berühmten ihre Millionen gerettet hatte, indem er ihre Ehefrauen abmurkste. Nein danke.
    Die Ironie war, dass Eldon stets eine größere Auswahl an Fluchtrouten gehabt hatte. Es hatte schon immer Länder gegeben, die bereit gewesen waren, ihn aufzunehmen und für seine Arbeit zu bezahlen. Einige Angebote waren sogar sehr verlockend gewesen. Die Bezahlung war schwindelerregend, und was die Einmischung von Seiten der Regierung anging … die gab es nicht. Das einzige Problem mit diesem Szenario war: Eldon Tarver war Patriot. Und die Länder, die ihn für seine Dienste bezahlen wollten, waren schlicht und ergreifend die falschen.
    Eldon erinnerte sich an jene Tage, als das Forschungsklima in den Vereinigten Staaten noch hilfreich gewesen

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