Leises Gift
Shane Lansing Zugang zu radioaktiven Materialien hatte. Dazu kam Peter Connollys Aussage, dass Strahlung die einfachste Möglichkeit darstellte, gezielt Krebs bei einem Menschen hervorzurufen. Angesichts dieser beiden Fakten fragte er sich fieberhaft, was die Einstichstelle neben seinem After zu bedeuten hatte. Hatte man ihm eine radioaktive Flüssigkeit geimpft? Oder gab es Pellets, die so klein waren, dass sie durch eine Nadel in seinen Blutstrom gespült werden konnten? Er versuchte sich zu erinnern, was Connolly über verstrahltes Thallium erzählt hatte, mit dem irgendjemand ermordet werden sollte, doch es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, während die Angst in seiner Brust jeden klaren Gedanken zu ersticken drohte.
Er riss sich mühsam zusammen und ging über den Flur zum Röntgenzimmer, wo er Nancy Somers, die medizinischtechnische Assistentin, darum bat, eine Röntgenaufnahme seines Unterleibs zu machen. Nancy starrte ihn verblüfft an, doch sie leistete keinen Widerspruch – schließlich war Chris einer ihrer Arbeitgeber. Chris nahm einen Papierkittel, zog sich neben der großen Röntgenmaschine aus, schlüpfte in die überdimensionierte Serviette und kletterte auf den kalten Tisch.
Nancy justierte die Spannung, dann verließ sie den Raum und löste aus. Zwei Minuten später rammte Chris das Röntgenbild in den Halter des Leuchtkastens im Besprechungsraum.
»Wonach suchen Sie?«, fragte Tom hinter ihm.
»Überbelichtung.«
Chris konnte kaum sprechen, während er das Röntgenbild untersuchte. Er hatte entsetzliche Angst, schwarze Flecken zu finden, verursacht durch radioaktive Strahlung, welche den Film überbelichtet hatte. Doch obwohl er mit akribischer Sorgfalt suchte, war auf dem Film nichts Ungewöhnliches zu entdecken.
»Sieht völlig normal aus, wenn Sie mich fragen«, sagte Tom. »Hat es mit der Einstichstelle zu tun?«
Chris nickte. Unvermittelt spürte er Toms Hand auf der Schulter. »Was hat das zu bedeuten. Junge? Reden Sie mit mir.«
Er konnte es nicht länger verheimlichen. Chris drehte sich zu seinem Partner um. »Jemand versucht mich umzubringen, Tom«, sagte er leise.
Nach einer schockierten Pause fragte Tom: »Wer?«
»Thora.«
Der ältere Mann kniff die Augen zusammen. »Können Sie das untermauern?«
»Nein. Aber ich arbeite zusammen mit einem Agenten des FBI daran, es zu beweisen.«
Tom Cage nickte langsam. »Ist Shane Lansing irgendwie in diese Sache verwickelt?«
»Ich glaube schon. Wüssten Sie, dass er Teilhaber einer Strahlungsklinik in Meridian ist?«
Tom schüttelte den Kopf. Chris sah, wie der Verstand des alten Arztes hinter den klugen Augen auf Hochtouren arbeitete. Er würde nicht lange brauchen, um die Hinweise miteinander zu verbinden.
»Hört sich in meinen Ohren so an, als könnten Sie eine Zeit lang Urlaub vertragen«, sagte Tom schließlich.
Chris schüttelte ihm dankbar die Hand, sammelte Ben und ein paar andere Dinge ein und verließ die Praxis. Seine Kopfschmerzen waren immer noch stark, doch bei Ben ließen sie allmählich nach. Der Junge wollte natürlich unbedingt bei seinem Dad bleiben, doch Chris bestand darauf, ihn bei Mrs. Johnson zu Hause abzuliefern. Die Witwe hatte sich schon vor der Hochzeit Thoras mit Chris um den Jungen gekümmert, und sie liebte ihn wie ihren eigenen Sohn. Sie versprach, Ben über Nacht dazubehalten, falls nötig; Chris musste nur anrufen. Er ließ eine Packung Advil und ein noch stärkeres Schmerzmittel da für den Fall, dass Bens Kopfschmerzen zurückkehrten.
Nachdem er bei sich angekommen war, stürzte er mit der Holzschachtel ins Haus, die er sich im Krankenhaus ausgeliehen hatte. Er rannte in die Waschküche, riss seinen Werkzeugkasten auf und nahm ein rasiermesserscharfes Taschenmesser hervor. Bewaffnet mit Messer und einer Zange in der einen Hand und dem Kasten in der anderen rannte er ins Schlafzimmer.
Zuerst riss er die Wäsche von dem großen Doppelbett herunter und legte die weiche Polstermatratze frei. Die Augen nicht weiter als zwanzig Zentimeter von der Oberfläche entfernt, untersuchte er die gesamte Matratze, wobei er sich auf seine Seite des Bettes konzentrierte. Er sah keine Spuren von Manipulation, doch das bedeutete überhaupt nichts. Er kniete neben dem Bett nieder und öffnete die Holzkiste, die er aus dem St. Catherine’s Hospital mitgebracht hatte. Im Innern ruht ein Geigerzähler aus der radiologischen Abteilung des Krankenhauses. Der Röntgenarzt hatte ihm erzählt, dass das Gerät
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